Moskau – Den historischen Einzug ins Finale der Fußball-Weltmeisterschaft wollten Trainer Zlatko Dalic und seine erschöpften, aber überglücklichen Spieler auskosten. Feiern, dann erst ausruhen und sich vorbereiten auf die Revanche für die WM-Niederlage vor 20 Jahren gegen Frankreich.
«Jeder erinnert sich in Kroatien an dieses Spiel», sagte Dalic: «Vielleicht hat uns der liebe Gott ja die Möglichkeit gegeben, dieses Ergebnis zurechtzurücken.» Damals bei der WM in Frankreich setzte es eine 1:2-Niederlage.
Dalic ist stolz, seine siegreichen Spieler sind stolz, das ganz Land ist stolz auf diese kroatische Mannschaft, die in Russland zum dritten Mal nacheinander einen 0:1-Rückstand wettmachte und Englands Titelsehnsucht um mindestens weitere vier Jahre verlängerte. «Wir dachten, wir könnten es schaffen, aber es hat nicht sollen sein», sagte Englands Kapitän Harry Kane, der wie seine Mitspieler von den «Three Lions»-Fans noch minutenlang auf dem Rasen gefeiert wurde. Durch das Luschniki-Stadion hallte der Oasis-Klassiker «Don’t look back in Anger» (Schau nicht in Wut zurück).
«Das sind Erfahrungen, die jedes Team machen muss. Ein Siegerteam zu werden, schmerzt auch mal», sagte Trainer Gareth Southgate in der Nacht auf Donnerstag. Und im Moment fühle man nur den Schmerz, sagte der 47-Jährige, der jeden seiner fassungslosen Spieler noch auf dem Rasen in den Arm nahm.
Er und seine Mannschaft verpassten trotz einer 1:0-Führung die Chance, zum ersten Mal seit 1966 im eigenen Land wieder den Titel zu gewinnen. «Ich weiß, wie enttäuscht Ihr jetzt sein müsst. Aber ich könnte nicht stolzer sein auf diese Mannschaft, und Ihr solltet es auch sein», schrieb Prinz William in einem persönlichen Tweet über den Account des Kensington Palastes.
Wie Könige dürfen sich die Kroaten schon jetzt fühlen. In der Heimat wurden die neuen Helden bereits frenetisch gefeiert. Auf dem Platz des Moskauer Luschniki-Stadions wehten kroatische Fahnen, kleine Kinder der Spieler tollten in rot-weiß karierten Trikots herum.
«Was wir für unser Land schaffen, ist fantastisch», sagte Dalic und lobte immer und immer wieder den Charakter seines Teams. «Ich wollte auswechseln, aber keiner wollte runter. Zwei Spieler haben mit einem halben Bein gespielt», meinte er: «Ich bin so stolz, keiner hat aufgegeben.»
Nach der frühen Führung der Engländer durch Kieran Trippier in der fünften Minute sorgten zwei ehemalige Bundesliga-Profis für die Entscheidung: Dem Ausgleich des Ex-Dortmunders und früheren Wolfsburgers Ivan Perisic (68.) folgte der Treffer des ehemaligen Bayern-Stürmers Mario Mandzukic in der 109. Minute der Verlängerung zum 2:1. «Unser Traum geht weiter», sagte Kroatiens Co-Trainer Ivica Olic, ein weiterer Ex-Bundesligaprofi.
Dass es nun gegen Frankreich auch noch zu einem Rendezvous der besonderen Art nach zwei Jahrzehnten kommt, freut vor allem Perisic. Der mittlerweile 29 Jahre alte Angreifer zog als 17-Jähriger aus familiären Gründen für rund zwei Jahre nach Sochaux. «Keiner könnte glücklicher sein als ich, gegen Frankreich im Finale zu spielen», sagte Perisic. Auch seine Mutter habe sich dieses Finale gewünscht, berichtete er. Und das verlorene Halbfinale gegen Frankreich hat er ebenfalls noch in Erinnerung, selbst wenn er damals gerade neun Jahre alt war: Er habe es zuhause in Kroatien mit dem Nationaltrikot vor dem Fernseher geschaut. Nun werden ihm stolze Kroaten am Sonntag zuschauen.
(dpa)