Sarzeau – Fernando Gaviria musste Seelentröster spielen. Beim Abendessen mit den Teamkollegen seines belgischen Quick-Step-Teams verfolgte der Radprofi im Golf-Hotel von Vannes gemeinsam mit der französischen FDJ-Equipe die 0:1-Niederlage Belgiens im Halbfinale der WM gegen Frankreich.
Doch die belgischen Quick-Step-Profis dürften das Aus ihres Teams mit Fassung beäugt haben. Wenige Stunden zuvor hatten sie Gaviria in Sarzeau auf der vierten Etappe zu seinem zweiten Tageserfolg bei der 105. Tour de France verholfen. Gleich bei seinem Tour-Debüt hat der 23 Jahre alte Kolumbianer der Frankreich-Rundfahrt seinen Stempel aufgedrückt. «Ich bin hier, um so so viele Etappen wie möglich zu gewinnen», sagte der Shootingstar, der im Vorjahr beim Giro d’Italia vier Etappen und die Punktewertung gewinnen konnte. «Er ist momentan der Stern am Sprinthimmel», adelte der Tagesdritte Greipel Gaviria nach der Etappe.
Auf das Trikot des besten Sprinters hat es der endschnelle Südamerikaner, dessen letzter Anfahrer der zwölf Jahre ältere Argentinier Ariel Maximiliano Richeze ist, auch bei der Frankreich-Rundfahrt abgesehen. «Natürlich will ich das Grüne Trikot gewinnen, aber dazu muss ich an Peter Sagan vorbei», sagte Gaviria. Der dreimalige Weltmeister Sagan aus dem deutschen Bora-hansgrohe-Rennstall will nach seiner Disqualifikation im Vorjahr diesmal wieder mit Grün – und damit zum sechsten Mal – auf dem Podium in Paris stehen.
Die Dominanz des jungen Kolumbianers müssen auch die deutschen fast schon in die Jahre gekommenen Topsprinter Marcel Kittel und André Greipel neidlos anerkennen. «Die Situation ist eindeutig, Quick-Step ist superstark», sagte Kittel, der selbst bei Quick-Step durch Gaviria ersetzt wurde. Noch im Vorjahr fuhr der 30-jährige Thüringer im Trikot der belgischen Equipe und holte 2017 allein fünf seiner insgesamt 14 Tour-Etappensiege. Mit seinem neuen Katusha-Alpecin-Team sprintete Kittel bis dato hinterher – Platz drei beim Auftakt steht als bestes Ergebnis bei dieser Tour zu Buche.
Den Kopf in den Sand steckt der Sonnyboy aus Arnstadt aber nicht: «Wenn man aufgibt an sich zu glauben, kann man gleich nach Hause fahren. Es gibt noch einige Chancen bis Paris, davon möchte ich mindestens eine nutzen». Die nächste Möglichkeit auf einen Etappensieg bietet sich Kittel wohl am Freitag, die beiden Etappen zuvor sind eher auf die Sprinter mit Bergqualitäten ausgelegt.
Dort möchte auch Greipel endlich den zwölften Tour-Etappensieg seiner Laufbahn einfahren. In Sarzeau wurde der 35 Jahre alte Lotto-Soudal-Profi erst kurz vor dem Zielstrich von Gaviria und Sagan überholt. «Ich weiß, dass die Form gut ist. Manchmal braucht man auch einfach Glück», sagte der gebürtiger Rostocker, der noch um einen Vertrag für die kommende Saison kämpft. Er und sein langjähriger treuer Helfer Marcel Sieberg sollen sich Richtung des Nibali-Teams Bahrain-Merida orientieren.
(dpa)