UEFA-Chef triumphiert – Ist Europa auf Jahre unschlagbar?

Moskau – Seinen Auftritt im Stile von Franz Beckenbauer genoss UEFA-Präsident Aleksander Ceferin schon vor dem WM-Finale in Moskau.

1990 hatte der damals scheidende Teamchef Beckenbauer im Überschwang des Weltmeister-Triumphs von Rom verkündet, dass das DFB-Team durch die hinzukommenden Spieler aus Ostdeutschland «über Jahre hinaus nicht zu besiegen» sein werde. Und in ähnlicher Manier tat es ihm Ceferin jetzt nach: Die vier europäischen Teams im Halbfinale der WM in Russland würden ihn nicht überraschen, verkündete der slowenische Chef der Europäischen Fußball-Union – und rechnet mit einem wachsenden Vorsprung: «Der Fußball in Europa ist anders organisiert. Es gibt mehr Infrastruktur, mehr technisches Personal. Wir arbeiten ganz anders und der Unterschied wird jedes Jahr immer größer.» Aber wie realistisch ist eine dauerhafte Dominanz der Nationalteams aus Europa?

PRO

STATISTIK: Eine Periode solch manifestierter Überlegenheit hat es historisch noch nie gegeben. Bis 2002 konnte kein Kontinent mehr als zwei Titel in Serie feiern, für den zuvor letzten Europa-Doppelschlag sorgte Italien 1934 und 1938. In Moskau wird am Sonntag bereits der vierte verschiedene europäische Champion nacheinander gekürt. Dabei ist es eine kollektive Stärke: Alleine seit 2006 gab es neun unterschiedliche WM-Halbfinalisten aus Europa.

GELD DER LIGEN: Die Milliarden-Einnahmen aus der Champions League lassen die Schere schon innerhalb Europas immer größer werden. Clubs auf anderen Erdteilen hingen schon lange hinterher und werden weiter abgehängt. In der Rangliste der umsatzstärksten Fußball-Clubs der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte lag Corinthians aus Sao Paulo als letztes nicht-europäisches Team 2014 auf Platz 24 unter den Top 30. Obwohl Europa nur 14 von 32 WM-Teilnehmer stellte, verdienten 74 Prozent der Spieler bei diesem Turnier ihr Geld in Europa – Tendenz steigend.

JUGEND: Jahrzehntelang war die U20-Weltmeisterschaft eine südamerikanische Domäne. Brasilien (6 Titel) und Argentinien (5) führen die Siegerliste an. Doch bei den vergangenen drei Turnieren triumphierten England, Serbien und Frankreich. Auch der bislang letzte U17-Weltmeister kommt aus England.

AUSBILDUNG: Es ist ein Teufelskreis für den Rest der Welt: Die Ausbildung professionalisiert sich in Europa rasanter als anderswo. Damit profitieren Nationen davon, wenn ihre Spieler frühzeitig auswandern, um schon im jungen Alter die bestmögliche taktische und spielerische Erziehung zu erhalten. Doch durch den Verlust der besten Talente sinkt das Niveau in den heimischen Ligen aber immer weiter.

CONTRA

FAKTOR ZUFALL: Im entscheidenden Moment hatten die südamerikanischen Teams bei dieser WM auch Pech. Uruguay fehlte im Achtelfinale gegen Frankreich sein verletzter Top-Stürmer Edinson Cavani, Kolumbien musste im K.o.-Duell mit England auf Bayerns James Rodriguez verzichten. Peru scheiterte in der Gruppenphase trotz teils deutlicher Überlegenheit am eigenen offensiven Unvermögen.

STARTPLÄTZE: Der Anteil der europäischen Teams wird spätestens bei der WM 2026 sinken. Um 16 Teilnehmer wird das Turnier ausgeweitet – aber nur drei von ihnen kommen sicher aus Europa. Damit geht die Quote von derzeit 44 auf 29 Prozent zurück.

NEUES GELD: Der Weltfußball findet neue Märkte, auch durch die Korruptionskrise der FIFA kommen viele Geldgeber inzwischen nicht mehr aus der Alten Welt. Vier der zwölf FIFA- und WM-Sponsoren stammen aus China, Saudi-Arabien will seine Position stärken. Durch gewachsene Strukturen und das Regelwerk ist es – anders als beispielsweise Katar im Handball – kaum möglich in kurzer Zeit in die Weltspitze zu stoßen. Doch sollte das Investitionsvolumen so hoch bleiben, dürften die neuen Player irgendwann auch sportliche Erfolge sehen wollen.


(dpa)

(dpa)