«Neymals» WM-Bilanz: Verpasster Titel und ramponierter Ruf

Kasan – So theatralisch er sich auch durch das Turnier gestikuliert hatte, so schmerzhaft war sein Abgang am Ende tatsächlich.

Das Aus im WM-Viertelfinale «ist der traurigste Moment meiner Karriere», schrieb Brasiliens Superstar Neymar einen Tag nach dem 1:2 gegen Belgien auf Instagram. «Wir wussten, dass wir die Fähigkeiten gehabt hätten, um weiterzukommen, um Geschichte zu schreiben. Aber es sollte diesmal nicht so sein.» Wortlos und mit dem Blick auf den Boden hatte der 26-Jährige in der Nacht zum Samstag die Arena in Kasan verlassen. Am Nachmittag des folgenden Tages machte sich die Seleção dann bereits auf den Rückweg nach Brasilien.

Die tiefe Enttäuschung war dem Angreifer von Paris Saint-Germain bereits wenige Stunden nach der Niederlage gegen die Belgier anzusehen. Leicht kopfschüttelnd, ansonsten nahezu reglos lief er an den rufenden Journalisten vorbei. Erklärungsnot sah er keine. Und erst recht hatte er zunächst keine Lust, einen Einblick in seine Gefühlswelt zuzulassen – das folgte dann erst einen Tag später. Es sei für ihn gerade schwer, «die Kraft zu finden, um wieder Fußball spielen zu wollen», schrieb er.

In Erinnerung von dieser WM wird von Neymar trotzdem nicht der Schmerz, sondern vor allem seine Theatralik bleiben. Der Schauspieler. Der Dauer-Lamentierer mit der albernen Spaghetti-Frisur. Und nicht der Ausnahme-Fußballer, der seine Fähigkeiten zumindest angedeutet hatte. Trotzdem war er für die spanische «Mundo Deportivo» der «Neymal» – «mal» heißt schlecht.

Zwei Tore, zwei Vorlagen in fünf Spielen – das ist erst einmal keine schlechte Bilanz für einen Spieler, der die letzten drei Monate vor dem Turnier verletzt war. «Bei 100 Prozent konnte er nicht sein», sagte Nationaltrainer Tite: «Aber er hat sich mit seiner Einstellung und seinen guten körperlichen Voraussetzungen schneller in Form gebracht, als ich es erwarten konnte.» Bei der WM vor vier Jahren im eigenen Land hatte sich Neymar einen Lendenwirbelbruch zugezogen und das 1:7-Debakel im Halbfinale gegen Deutschland hilflos als Zuschauer verfolgen müssen.

Ganz so ernüchternd war Brasiliens Ausscheiden diesmal nicht. Dafür kam es sogar noch eine Runde früher. Neymar ist erst 26, im Gegensatz zu Lionel Messi (31) oder Cristiano Ronaldo (33) bleibt ihm wohl noch mindestens eine weitere Chance. Doch erst einmal wird sein neuer Trainer Thomas Tuchel bei Paris Saint-Germain einige Aufbauarbeit leisten müssen. Denn dass er statt der so gewünschten Anerkennung viel Hohn und Spott abbekam, wird nicht spurlos an Neymar vorbeigehen. Und sicher auch in den Liga-Alltag hineinwirken.

Auch gegen Belgien hatte Neymar in zwei Fällen auf peinliche Art und Weise versucht, einen Elfmeter zu schinden. Immerhin plagte ihn nach dem ersten Versuch das schlechte Gewissen, als er Schiedsrichter Milorad Mazic bat, nicht die Video-Assistenten um Felix Zwayer und Mark Borsch zu befragen. Sonst hätte ihm eine zweite Gelbe Karte gedroht und eine Sperre im möglichen Halbfinale. Trotz des schnellen Aufspringens in dieser Szene: Zu den 14 Minuten, die er schon in den ersten vier Spielen laut Berechnungen des Schweizer Nachrichtenportals RTS auf dem Boden liegend verbracht hatte, kam noch mal ein bisschen was dazu.

In den sozialen Medien wird der teuerste Fußballer der Welt seit Tagen verspottet. In zahlreichen Videos wurde sein theatralisches Rollen aus dem Spiel in Mexiko eingebaut. Im neusten rollt er auf dem Gepäckband nach Hause. In der Schweiz übten die Nachwuchskicker des FC Widnau im Training Neymar-Schwalben. Die Satire-Seite «Der Postillon» kündigte an, das Spiel gegen Belgien werde wegen Neymars Theater-Einlagen auf Arte gezeigt. Worauf der Kultursender antwortete, extra dafür die Tierdoku «Die schönsten Schwalben Russlands» aus dem Programm zu nehmen.

Die Wut vieler Ex-Stars war ernst. «Man spottet über ihn – und das zurecht», sagte Lothar Matthäus. «Ich hatte Sorge, er stirbt», meinte Dänemarks früherer Weltklasse-Keeper Peter Schmeichel. «Es nervt, dass er jedes Mal über den Rasen rollt, als sei er schwer misshandelt worden», schimpfte Englands Ex-Torjäger Alan Shearer.

Nach Russland war Neymar gekommen, um das «jogo bonito», das schöne brasilianische Spiel zu zelebrieren. Er ging als Symbolbild für vieles Schlechte im Fußball.


(dpa)

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