Dortmund – Wirklich wohl schien sich Lucien Favre im Blitzlichtgewitter der vielen Fotografen nicht zu fühlen. Nur mit Mühe rang sich der neue Dortmunder Coach bei seiner Rückkehr auf die Bundesliga-Bühne ein Lächeln ab.
Großer Medienrummel war dem 60 Jahre alten Schweizer schon immer suspekt. Geduldig, aber gewohnt wortkarg beantwortete er anschließend die Fragen. Die riesige Aufmerksamkeit, die ihm bei seiner Vorstellung an neuer Wirkungsstätte zuteil wurde, konnte seine Vorfreude auf den kniffligen Job jedoch nicht schmälern: «Es ist eine große Herausforderung. Wenn der BVB kommt, kann man das als Trainer nicht ablehnen, das ist unmöglich.»
Die Sehnsucht nach der Spielkultur und Schlagkraft vergangener Tage ist in Dortmund groß. Favre soll dazu beitragen, dass sich die Borussia dem mittlerweile weit enteilten Rekordmeister FC Bayern wieder etwas annähert. «Das wirklich Hervorstechende ist, dass er bei früheren Stationen immer das Potenzial, das vorhanden war, voll ausgeschöpft hat», lobte Hans-Joachim Watzke.
Gleichwohl riet der BVB-Geschäftsführer allen Beteiligten, die Arbeit des neuen Trainers mit Geduld zu begleiten: «Er wird hier nicht mit einer unrealistischen Erwartungshaltung überfrachtet. Wir haben keine Titelträume, sind aber hoch ambitioniert. »
Wie schwierig die Aufgabe werden könnte, offenbart die jüngste BVB-Vergangenheit. Seit der mit vielen negativen Schlagzeilen verbundenen Trennung von Thomas Tuchel vor gut 13 Monaten haben in Peter Bosz und Peter Stöger zwei weitere Trainer vergeblich versucht, beim Revierclub Fuß zu fassen. Die Egotrips solch extravaganter Profis wie Pierre-Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé trugen zum schleichenden Verfall des Teamspirits bei. Das soll sich unter der Regie von Favre ändern.
Dass auch Favre nicht unbedingt als pflegeleicht gilt, konnte die Dortmunder Vereinsführung nicht von einem Engagement abhalten. Obwohl seine Abgänge bei Hertha BSC 2009 und Borussia Mönchengladbach 2015 für viel Gesprächsstoff sorgten, ist sein Ruf als Bessermacher und versierter Taktiker unbeschädigt. BVB-Sportdirektor Michael Zorc hält große Stücke auf Favre: «Seine Mannschaften hatten immer eine klare Struktur, eine klare Spielphilosophie und eine sehr gute Balance zwischen Defensive und Offensive. Er arbeit gern mit jungen Spielern zusammen und entwickelt sie.»
Bisher wurden in Thomas Delaney, Eric Oelschlägel (Werder Bremen), Abdou Diallo (FSV Mainz 05), Marius Wolf (Eintracht Frankfurt) und Marwin Hitz (FC Augsburg) fünf Neuzugänge vorgestellt. Laut Medienberichten soll zudem in den kommenden Tagen die Leihe von Außenverteidiger Achraf Hakimi (Real Madrid) bestätigt werden. Da in Sokratis (FC Arsenal) und Gonzalo Castro (VfB Stuttgart) erst zwei Abgänge feststehen, ist der Kader mit aktuell 30 Spielern noch zu groß. «Es wird noch die eine oder andere Bewegung in beide Richtungen geben», kündigte Favre an.
In zwei Trainingslagern in den USA (18. bis 26. Juli) und der Schweiz (1. bis 8. August) sowie insgesamt sieben Testspielen will Favre dem Team einen neuen Spirit vermitteln. Das erste Pflichtspiel unter Favre steigt am 20. August in der 1. Runde des DFB-Pokals beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth.
(dpa)