Rostow am Don – Kaum hatten sich die großen Emotionen nach dem Happy End im Achtelfinal-Thriller gegen Japan gelegt, fieberten die Roten Teufel aus Belgien schon dem nächsten Fußball-Feiertag im Viertelfinale gegen Rekord-Weltmeister Brasilien entgegen.
«Als kleiner Junge träumst du von solchen Spielen. Wir können das von der ersten Sekunde an genießen», sagte Trainer Roberto Martinez vor dem Showdown mit dem fünfmaligen Champion am Freitag in Kasan. Und der Ex-Wolfsburger Kevin de Bruyne kündigte Superstar Neymar & Co. schon mal einen leidenschaftlichen Fight an: «Brasilien ist einer der Turnierfavoriten, aber wir müssen nur auf uns schauen und unseren Job machen. Wenn du ein Turnier gewinnen willst, musst du jede Mannschaft schlagen.»
Der 3:2 (0:0)-Sieg gegen Japan in letzter Sekunde löste bei den Belgiern eine Euphoriewelle aus, die sie möglichst bis ins Finale am 15. Juli in Moskau tragen soll. «Wir wollten nicht verlieren und noch nicht nach Hause fliegen. Das gilt auch für das nächste Spiel», sagte De Bruyne zuversichtlich. «Wir gehen ins Spiel, um es zu gewinnen. Der Einzug ins Viertelfinale hat überhaupt keine Bedeutung, wenn wir das nicht schaffen.»
Das Comeback nach einem 0:2-Rückstand stärkt das ohnehin schon große Selbstvertrauen der Erben der großen Generation um Jean-Marie Pfaff, Eric Gerets und Enzo Scifo, die es 1986 in Mexiko bis ins Halbfinale schaffte. «Jeder in Belgien muss extrem stolz sein auf diese Spieler», sagte Martinez. «Ich könnte jedenfalls nicht stolzer sein.»
Dabei schienen sich die großen Hoffnungen des Star-Ensembles einmal mehr nicht zu erfüllen, denn nach den Gegentoren durch Genki Haraguchi (48. Minute) vom Bundesligisten Hannover 96 und den Ex-Frankfurter Takashi Inui (52.) sahen die Belgier schon wie die großen Verlierer aus. Doch Martinez hatte noch zwei Asse im Ärmel: Marouane Fellaini und Nacer Chadli. Beide kamen in der 65. Minute und drehten nach dem Anschlusstreffer von Jan Vertonghen (69.) das Spiel. «Es war ein bewegender Moment, als wir ins Turnier zurückgekehrt sind», sagte der umjubelte Siegtorschütze Chadli über seinen Last-Minute-Treffer.
Dass ausgerechnet zwei Joker die Partie entschieden, unterstrich einmal mehr, dass Belgien über einen breiten Kader mit viel Klasse verfügt. «Wir haben Spieler auf der Bank, die ein Spiel verändern können», stellte Eden Hazard erleichtert fest. «Sie haben den Unterschied gemacht», pflichtete Abwehrspieler Vincent Kompany bei und zollte der gesamten Truppe ein Lob: «Wir haben in einer ganz schwierigen Situation die Ruhe bewahrt und gezeigt, dass wir mental stark sind. Der Glaube ist wichtig.»
Der soll auch gegen Brasilien helfen. «Du musst akzeptieren, dass sie die beste Mannschaft im Turnier sind, und dann deine Rolle finden», sagte Martinez. Das wollen seine Spieler gerne tun. Zumal ihnen die Rolle des Außenseiters vielleicht besser liegt als die des Favoriten, mit der sie im Viertelfinale der EURO 2016 nicht klargekommen waren. «Natürlich haben wir an Wales gedacht», sagte Hazard mit Blick auf das damalige Aus gegen den Underdog. «Aber wir dachten auch, wenn wir treffen, sind wir wieder drin im Turnier. Die Reaktion war großartig. Vielleicht brauchen wir diese Spiele für die Zukunft.»
Auf jeden Fall beflügeln sie den Vize-Europameister von 1980 auf der Jagd nach dem großen Coup. «Ein 0:2 holst du nicht oft auf. Das spricht für die Leidenschaft und den unbedingten Willen», sagte Martinez. Diese Eigenschaften sind auch gegen den Rekord-Weltmeister mit dem teuersten Fußballer des Erdballs gefragt. «Brasilien ist mehr als Neymar», warnte De Bruyne vom englischen Meister Manchester City. «Natürlich schauen alle auf ihn. Aber ich spiele mit vielen Brasilianern in einer Mannschaft. Ich weiß, wie gut die sind.» Der Vorfreude tut dies jedoch keinen Abbruch. «Es wird aufregend», prophezeite Hazard. «Wie immer gegen dieses tolle Team.»
(dpa)