Moskau – Bloß keine Blamage! Spanien geht mit einem flauen Gefühl in die Achtelfinal-Partie am Sonntag (16.00 Uhr MESZ) im Luschniki-Stadion gegen Außenseiter Russland.
Die Debatte beim Weltmeister von 2010 um Interimscoach Fernando Hierro, die fünf Gegentore für den wackligen Keeper David de Gea in der Vorrunde, dazu die Zweifel an der Generation um Andrés Iniesta: All diese Themen nerven den Favoriten vor dem ersten K.o.-Spiel. Der WM-Gastgeber will hingegen «das Mirakel von Moskau» schaffen, wie es russische Zeitungen nennen.
«Wir haben viel Kritik abbekommen, mehr als wir verdient haben», beklagt sich der Real-Prof und frühere Leverkusener Daniel Carvajal und betont: «Wir sind seit zwei Jahren ungeschlagen.» 20 dieser 22 Spiele gingen allerdings auf das Konto von Julen Lopetegui, der seinen Trainerstuhl zwei Tage vor Turnierbeginn räumen musste.
Sein Nachfolger Hierro kämpft weiter um Anerkennung. So kritisiert Ex-Spanien-Profi Bernd Schuster: «Spaniens Problem Nummer eins ist, dass Hierro kein Trainer ist. Er hat keine Erfahrung auf dem Niveau.»
Beim glücklichen 2:2 gegen Marokko patzten Iniesta und Kapitän Sergio Ramos. «Seit ich 30 bin, muss ich mir anhören, dass ich alt bin», sagt der künftige Japan-Profi Iniesta. Mittelfeld-Star Isco von Real Madrid, bisher herausragend bei den Spaniern, warnt: «Das wird ein ganz schweres Spiel gegen den Gastgeber. Sie haben exzellente Spieler mit viel Qualität und eine gute Vorrunde gespielt. Auch wenn sie das letzte Spiel verloren haben. Da dürfen wir keine Fehler machen.»
Die Russen haben das 0:3 im letzten Vorrundenspiel gegen Uruguay weggesteckt und fühlen sich gut vorbereitet. «Die Spanier spielen den gleichen Fußball wie in den vergangenen Jahren. Die Verteidiger stehen sehr hoch – das schafft Raum für Konter», sagt Rekordnationalspieler Sergej Ignaschewitsch. Und der Abwehrspieler stichelt in Richtung Ramos: «Provokateure haben es bei der WM schwerer, denn es gibt den Videobeweis. Alle spielen viel sauberer.»
Nach der weitgehend misslungenen Personal-Rotation gegen Uruguay will Trainer Stanislaw Tschertschessow wieder zur Stammelf zurückkehren, die Russland mit zwei Siegen und acht Toren im Sturmlauf ins Achtelfinale brachte. Zu offensiv dürfte es die Sbornaja aber nicht angehen. «Bloß kein Russisch Roulette!», warnt der Sender Match TV.
Fußball-Experten im WM-Gastgeberland werten den Einzug der Mannschaft unter die 16 besten Teams als größten Erfolg der jüngeren russischen Sportgeschichte. Der bisher größte Triumph ist mit dem Namen Spanien eng verbunden: Vor zehn Jahren, bei der EM 2008, scheiterte Russland erst im Halbfinale an den Iberern (0:3).
«Von allen Spielen gegen Spanien ist diese Partie wohl die denkwürdigste. Aber jetzt sind alle Gedanken beim Achtelfinale. Es gibt keine Nostalgie», sagte Ignaschewitsch. Trainer der Russen damals: Guus Hiddink. Der Niederländer besuchte die Mannschaft vor wenigen Tagen im Trainingslager bei Moskau und machte den Spielern Mut für das bisher wohl wichtigste Spiel ihrer Karriere.
Hoffnung schöpft Russland aus dem 3:3 im Testspiel gegen Spanien im November in St. Petersburg. Damals holte die Sbornaja einen 1:3-Rückstand auf. «Warum soll nicht ein Wunder geschehen?», fragt die Zeitung «Sport-Express» und verweist auf das Ausscheiden der deutschen Mannschaft. «Südkorea hatte gegen den amtierenden Weltmeister ebenfalls keine Komplexe. Man darf träumen!»
Im Luschniki-Stadion steigt am 15. Juli auch das Finale. Viele Russen fürchten, dass für ihr Team das «WM-Endspiel» dort bereits am Sonntag stattfindet. «Lasst es uns würdig beenden», meint «Sport-Express» – «und falls es geht, nicht schon am Sonntag. Die WM ist so schön.»
(dpa)