Kasan/Berlin – Nicht nur beim früheren Weltmeister Thomas Müller fließen die Tränen. Ob bei den deutschen Fans im Stadion in Kasan, beim Public Viewing oder im Netz – überall herrscht nach dem WM-Aus der Fußball-Nationalmannschaft blankes Entsetzen.
Auf der Berliner Fanmeile am Brandenburger Tor fließen bittere Tränen bei den schwarz-rot-gold-geschmückten Gästen. Viele schlagen die Hände entsetzt vors Gesicht, andere stützen sich erschöpft auf die Absperrgitter, die Köpfe zum Boden. Hinschauen will erstmal kaum noch jemand.
«Sprachlos» – steht auf dem offiziellen Twitterkanal der deutschen Mannschaft. Und «sprachlos» ist auch Basketballstar Dirk Nowitzki, wie er ebenfalls twittert. Er werde etwas Zeit brauchen. Der frühere Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg postet nur einen weinenden Emoji.
Auch im Hardtwaldstadion im baden-württembergischen Sandhausen hatten sich Fans in Deutschlandtrikots zum gemeinsamen Fußballschauen, Hoffen und Bangen getroffen. Am Ende, nach dem 2:0-Sieg der Südkoreaner, liegen sich viele von ihnen unendlich enttäuscht in den Armen. Schließlich waren die meisten nach dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden am vergangenen Samstag erst so richtig in WM-Stimmung gekommen. Kaum jemand hat ernsthaft damit geplant, dass die DFB-Elf nun doch noch scheitert.
Enttäuschung auch in der Politik: «Nicht unsere WM – ist das traurig! Es kommen auch wieder Turniere, bei denen wir jubeln werden», twittert Regierungssprecher Steffen Seibert. Und Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel schreibt: «Hingefallen? Wieder aufstehen und Kopf hoch! Gilt für alle Lebenslagen.» Im Schweriner Landtag verfolgten mehrere Abgeordnete das Spiel von ihren Plätzen aus auf Smartphones oder Tablets – und quittierten die Niederlage gegen Südkorea mit Kopfschütteln.
Entsetzte Gesichter auch beim Public Viewing in Hamburg: 20 000 Fans stehen nach dem Spiel regungslos zusammen, die Hände vor dem Gesicht oder die Arme verschränkt. Ein Fan wird am Boden sitzend von einer Frau getröstet. Als die meisten schon gegangen sind, sitzt ein Fan enttäuscht auf seiner Deutschlandflagge am Boden.
Doch natürlich gibt es auch glückliche Gewinner, da muss sich Altkanzler Gerhard Schröder diplomatisch zeigen. Er ist mit seiner südkoreanischen Ehefrau So Yeon Kim in Kasan ins Stadion gekommen. Und sie zeigt ganz deutlich, dass sie zur Mannschaft ihres Heimatlandes hält. Sie trägt ein T-Shirt in Rot, auf dem in weißer Schrift auf Koreanisch zu lesen ist: «Kämpfen, Taehan Minguk». Taehan Minguk – so nennen die Südkoreaner ihr Land. Schröder dagegen ist ganz neutral gekleidet in dunkelblauem Jackett und hellblauem Hemd. Während des Spiels ist Kim glücklich auf der Tribüne zu sehen, Schröder hält sich nur noch die Hände vor das Gesicht.
Doch während viele auch wütend sind, zeigen sich vor allem Sportler in den Sozialen Medien verständnisvoll und zuversichtlich. «Es ist leicht, stolz auf unser Team und Land zu sein, wenn wir Titel gewinnen. Gerade jetzt sollten wir zusammenrücken, aus unseren Fehlern lernen und nach vorne schauen.» Das schreibt der frühere Nationalspieler Arne Friedrich. Und Ex-Skispringer Sven Hannawald findet das Vorrunden-Aus zwar bitter, meint aber auch: Nach dem Weltmeistertitel 2014 und dem ConfedCup 2017 weiter zu funktionieren, sei fast unmöglich. «Also, liebe 75 Mio-Bundestrainer. Bleibt locker.» Und Tennisspielerin Julia Görges schreibt: «Man gewinnt und man verliert zusammen.»
(dpa)