Madrid – Der Wutausbruch von Real Madrids Präsident Florentino Pérez gegen den nationalen Verband hat Spaniens Fußball gespalten. Die Zeitung «El Mundo» und auch andere Medien schreiben nach der Präsentation von Ex-Nationalcoach Julen Lopetegui beim Champions-League-Sieger gar von «Krieg».
Der WM-Auftakt der Spanier in Russland sei – unabhängig vom Ergebnis des ersten Spiels gegen Portugal – weitgehend vermiest worden. So wütend hatte man Pérez noch nie gesehen. Mit dunklen Ringen unter den Augen, die von einer schlaflosen Nacht zeugten, zog der mächtige Baulöwe und Clubchef der Königlichen bei der Präsentation seines neuen Trainers Lopetegui wild über den spanischen Fußball-Verband RFEF und dessen Boss Luis Rubiales her.
Nach Ansicht der Madrider Sportzeitung «AS» hätten zwei Deutsche die ganze Aufregung verhindern können: Liverpool-Coach Jürgen Klopp oder Bundestrainer Joachim Löw, die angeblich ganz oben auf der Wunschliste von Pérez standen. Hätten Klopp, Löw oder andere Topkandidaten wie Juventus-Coach Massimiliano Allegri sich zur Nachfolge des zurückgetretenen Real-Trainers Zinédine Zidane bereit erklärt, «dann wäre uns dieses Getöse erspart geblieben und Real stünde nicht als Saboteur dar», schrieb Chefredakteur Alfredo Relaño.
Die Kapitel der bizarr anmutenden Seifenoper: Zunächst die zeitlich unpassende Bekanntgabe der Verpflichtung Lopeteguis durch Real, gerade mal drei Tage vor dem ersten WM-Spiel Spaniens ins Russland gegen Europameister Portugal. Dann die darauf folgende Amtsenthebung des 51-Jährigen Nationaltrainers durch den Verband. Und dann am folgenden Tag die Standpauke von Pérez. Der Rauswurf Lopeteguis sei «ungerecht, unverhältnismäßig und beispiellos in der Geschichte des Fußballs» gewesen, sagte der Präsident. Er sprach von einer «absurden Reaktion», von «falsch verstandenem Stolz» und von Menschen, die «jede Chance nutzen, um Real Madrid in Verruf zu bringen».
Lopetegui ließ anschließend nur gut 24 Stunden nach dem Rauswurf den Tränen ungeniert freien Lauf. «Gestern war für mich der traurigste Tag seit dem Tod meiner Mutter», sagte der frühere Real-Torhüter im Madrider Estadio Santiago Bernabéu schluchzend. Er habe sich nichts vorzuwerfen. Er sei davon überzeugt, dass er professionell und loyal sowie «absolut ehrlich und transparent» gehandelt habe.
«La Vanguardia»-Kolumnist Joan Josep Pallàs schrieb am Freitag: «Heute Abend soll angeblich Spanien spielen, aber das scheint kaum zu interessieren.» Jordi Évole, einer der angesehensten und beliebtesten TV-Journalisten Spaniens, schimpfte, Real Madrid habe die «Selección» regelrecht sabotiert.
Pérez rief die Madridistas auf, den Feinden des Clubs die Stirn zu bieten. Der neue Verbandsboss Rubiales, der Sportdirektor Fernando Hierro zu Lopeteguis Nachfolger machte, antwortete Pérez am Freitag vorerst nicht. Nach Medienberichten hat das Chaos auch im Kader um Kapitän Sergio Ramos und Spielmacher Andrés Iniesta Zoff und Zwietracht ausgelöst. Die Real-Spieler – wie etwa Ramos, Isco und Marco Asensio – hätten Lopeteguis und Pérez` Aktionen unterstützt, andere – darunter Iniesta – diese derweil scharf kritisiert.
Einige Beobachter nehmen es derweil mit Humor. «El Mundo» schrieb von einer «Bud-Spencer-Actionkomödie». Die spanischen Journalisten, die das Team in Russland begleiten, wirkten unterdessen wie viele Fans immer noch fassungslos nach den wilden Stunden von Krasnodar. «Die Stimmung ist hier wie in einem Leichenhaus», sagte Ramos zum Abschluss einer Pressekonferenz vor dem Spiel in Sotschi.
(dpa)