Frankfurt/Main – Sportwetten sind aus der Schmuddelecke heraus. Zum Jahresbeginn stellte sogar die Deutsche Fußball Liga stolz einen privaten Anbieter als neuen Werbepartner vor.
Schlagzeilen über Wettskandale sind zehn Jahre nach dem Ende des Rechtsstreits zwischen DFB und Robert Hoyzer hingegen seltener geworden. Doch wie groß ist auch heute noch die Gefahr von Spielmanipulation und Betrug im weltweiten Fußball?
Das Unternehmen Sportradar arbeitet mit mehr als 70 Verbänden und Ligen zusammen, darunter auch der DFL oder dem Weltverband FIFA, und überwacht mehr als 350 000 Spiele pro Jahr. «Die Gefahr des Wettbetrugs hat definitiv zugenommen», sagt Geschäftsführer Andreas Krannich. Es lasse sich «feststellen, dass insbesondere durch die mannigfaltigen Wettmöglichkeiten – vor und während des jeweiligen Sportereignisses, die Anzahl und Varianten der Manipulation zugenommen haben.»
Seit 2009 wurden von Sportradar weltweit 3500 «stark manipulationsverdächtige Spiele» identifiziert. Dies sei «eher die Untergrenze» berichtet Krannich, da der Rechercheansatz sei, nach Gründen zu suchen, warum ein verdächtiges Spiel eben nicht manipuliert sein könnte.
Der Wettskandal mit dem damaligen DFB-Schiedsrichter Hoyzer rückte das Thema vor 13 Jahren in den öffentlichen Fokus. Später sorgten vor allem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bochum gegen eine international agierende Bande für Aufsehen – Partien von der 2. Bundesliga über Champions und Europa League standen unter Verdacht, auch Profispieler in Deutschland wurden gesperrt, Betrüger zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Ob es weiterhin eine Gefahr des Wettbetrugs in der Bundesliga gebe, sei schwer zu beantworten, sagt Sportradar-Experte Krannich. Wettmanipulation finde einerseits in Sportarten mit großer Wettnachfrage statt, anderseits müsse immer die Motivation der Beteiligten hinterfragt werden. «In einigen Ländern haben wir über die letzten zwei, drei Jahre festgestellt, dass die Manipulation eher in die unterklassige Ligen geht», sagt Krannich.
Wie passt es da zusammen, dass Anbieter von Sportwetten begehrte Werbepartner sind? Aus der Bundesliga führen 13 von 18 Vereinen auf ihren Internetseiten einen privaten Sportwettenanbieter als Sponsoringpartner. Vier weitere werben zumindest mit einem Lotto-Unternehmen.
Dass auch Tipico seit Januar als offizieller Partner der DFL mit deren Logo werben darf, kritisierte die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland. «Solch ein Sponsoring zu betreiben, ohne Maßnahmen zur Bekämpfung von Spielmanipulationen auszuweiten und offensiv auf die Gefahren der Spielsucht – gerade auch für junge Fußballer – hinzuweisen, steht der von der DFL immer wieder betonten Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung entgegen», sagte Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency Deutschland.
Die DFL verweist darauf, dass seit kurzem für die Clubs aus den Bundesligen nicht nur Prävention von Spielmanipulation im Jugendbereich vorgeschrieben ist – bis Ende Januar 2019 müssen die Vereine nachweisen, dass auch die Profis geschult werden.
Sportradar, das seit 2005 mit der DFL zusammenarbeitet, bewertet es positiv, dass ein Wettanbieter bei der Liga wirbt. Dies sei «grundsätzlich zu begrüßen», sagt Krannich. «Alles, was das Sportwetten in einen legalen und insbesondere sichtbaren Kontext bringt, verhindert beziehungsweise erschwert Manipulationen.» Auch eine Forderung nach einem Verbot von Sport- und Livewetten ist aus seiner Sicht «Mumpitz»: «Prohibition fördert ausschließlich mafiöse Strukturen sowie Monopolpreise und schädigt die Kunden.»
Sein Unternehmen geht konservativ geschätzt von einem jährlichen Wettumsatz von weltweit 1,5 Billionen Euro aus. Rund 70 Prozent werden in Asien generiert, Fußball ist mit 60 Prozent die am stärksten bewettete Sportart. Auf ein Bundesligaspiel werden geschätzt etwa 70 Millionen Euro pro Partie gewettet, in der 2. Liga sind es immer noch über 20 Millionen.
Die öffentliche Hauptfigur des großen Skandals 2005 hält sich mit öffentlichen Aussagen zurück, vor zehn Jahren hatten Hoyzer und der DFB sich auf einen Schadenersatz in Höhe von 750.000 Euro geeinigt. «Ich war damals 23 Jahre, habe vieles sicherlich unterschätzt und mich überschätzt, was ich heute mit 37 nicht mehr machen würde», sagte Hoyzer, der zuletzt noch für den Regionalligisten Viktoria Berlin aktiv war, im November 2016 der «Magdeburger Volksstimme». «Aber am Ende des Tages ist man immer für sich selbst verantwortlich und muss dafür geradestehen, was man tut. Diese Verantwortung kann ich nicht wegschieben.»
(dpa)