Mailand – Alle Zeichen stehen auf Abschied nach einer perfekten Weltmeister-Kür, doch Aljona Savchenko lässt sich ein kleines Hintertürchen offen.
«Es ist schwierig, ich muss erstmal nachdenken», sagte die 34 Jahre alte Olympiasiegerin, die mit ihrer schier unerschöpflichen Schaffenskraft Bruno Massot zu Olympia- und WM-Sieg trieb und am liebsten nie vom Eis gehen würde: «Nur mit einem weinenden Auge.» Nun will der fünf Jahre jüngere Deutsch-Franzose nicht mehr. Nicht nur die kaum auszuhaltenden Rückenschmerzen belasten ihn, auch der mentale Stress vor den Winterspielen hat Spuren hinterlassen.
«Ich bin dankbar, dass Bruno mir diese wunderschönen vier Jahre geschenkt hat, er ist ein Held», sagte die weltbeste Paarläuferin. So federleicht, wie ihr Weltrekord-Vortrag im Mediolanum Forum von Mailand mit 22 Höchstnoten 10,0 wirkte und Fans vor Rührung schlucken ließ – so einfach war der Weg dahin bei weitem nicht. «Es war hart, aber es war magisch, wir haben versucht nicht an die Schmerzen zu denken», beschrieb Massot das nochmalige Zusammenreißen nach dem Höhepunkt bei den Winterspielen. «Wir können nicht glücklicher sein.»
Mit einem erlesenen Tropfen Rotwein aus der Lombardei in der Hand verriet Alexander König kurz vor Mitternacht sein kleines Erfolgsgeheimnis für den phänomenalen Gold-Coup in Südkorea und Italien: «Ich habe im Januar noch ein Bild gemalt, auf dem ein Tandem bergauf in Richtung Olymp zu sehen ist.» Die Botschaft des Trainers: Fehler eines Teils des Duos müssen bedingungslos vom Partner aufgefangen werden, sonst fällt es zurück.
«Wenn man diesen Prozess versteht, versteht man Paarlaufen», erklärte der 51-Jährige, dessen Verdienst es vor allem ist, das Binnenverhältnis seiner starken Schüler in die richtige Bahn gelenkt zu haben. «Das Kommunikationsproblem war das Schwierigste.»
Bei Massot habe es angesichts des Bildes, das im Leistungszentrum am Nebelhorn hängt, Klick gemacht. Für Savchenko ist der Anteil Königs an ihren Triumphen nicht hoch genug einzuschätzen, sie beziffert ihn gar auf 75 Prozent.
Und weil es den ehemaligen Paarläufer und Ruhepol des Trios Ende April vom Trainingsort Oberstdorf in seine Heimat Berlin zurückzieht, ist das nacholympische Projekt Savchenko/Massot auch so unwahrscheinlich. «Aljona mag es in Oberstdorf, sie ist da angekommen. Sie ist sehr konzentriert und mag die Ruhe. Eine Großstadt ist für solche Menschen schwieriger», sagte König, der selbst seine Ausbildung als Mediator zu Ende bringen will.
Zudem ist er im Gespräch für einen neu zu schaffenden Posten als Paarlauf-Bundestrainer. «Er hat sich in der Aufgabe, die er vier Jahre hatte, sehr gut bewährt», sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union. «Er kann Spannungen rausbringen, hat Weitsicht und denkt strategisch.» Dem Gold-Paar rät er nach emotionalen Wochen zu einer Verschnaufpause: «Sie brauchen jetzt Abstand.»
Auch Savchenko wird irgendwann hinter der Bande stehen, so assistierte sie jetzt schon bei den Berlinern Annika Hocke/Ruben Blommaert, die als 13. einen hoffnungsvollen WM-Einstieg feierten. «Ich hatte unheimliches Glück, dass ich mit dem Paarlaufen jetzt angefangen habe und mir von Aljona noch vieles abgeschaut habe», erzählte die 17 Jahre alte Schülerin.
Das Projekt Savchenko/Massot könnte sich in Richtung Shows entwickeln, um den Erfolg ein wenig zu versilbern. Sicher ist, dass Savchenko weiterhin die Schlittschuhe schnüren wird, denn die eisige Bühne bedeutet ihr alles. Ums Geldverdienen ging es ihr nie: «Wir sind die einzigen Sportler auf diesem Niveau ohne Sponsoring, ich habe nur die Bundeswehr und die Sporthilfe. Das ist das Minimum, um die Miete zu bezahlen.» Ein Olympiasieg, sechs WM-Trophäen – fünf davon mit Robin Szolkowy – sind ihr Lohn.
(dpa)