Oslo – Vor dem Biathlon-Weltcup in Oslo wird weiter über ein mögliches Karriereende von Ole Einar Björndalen spekuliert.
Der Rekordweltmeister aus Norwegen spricht im Interview der Deutschen Presse-Agentur über Olympia 2022, seine ungebrochene Motivation und die Faszination Holmenkollen. Dort starten am Donnerstag die Wettbewerbe in Skandinavien.
Herr Björndalen, kennen Sie die deutsche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein?
Björndalen: Ich kenne sie nicht persönlich, aber ich kenne ihre Resultate und weiß, was sie in ihrer Karriere geleistet hat.
Frau Pechstein will 2022 noch in Peking dabei sein. Sie wird kurz nach den Olympischen Winterspiele in China 50 Jahre alt.
Björndalen: Wenn sie die Motivation hat, kann sie das ohne Zweifel schaffen. Ich denke, dass so etwas mit einem guten Umfeld durchaus möglich ist. Wenn es mit der Familie nicht klappt, dann ist das aber sehr, sehr schwierig.
Also können Sie sich auch vorstellen, in Peking ein weiteres Mal bei Olympia dabei zu sein? Sie wären dann 48 Jahre alt.
Björndalen: Motivationsmäßig ist das überhaupt kein Problem. Für mich ist die Schwierigkeit, dass wir eine Familie haben. Wir beide, meine Frau und ich, sind noch aktiv, und das zu koordinieren ist sehr, sehr schwierig. Das kostet sehr viel Energie. Biathlon ist ein Sport, bei dem man nicht nur in der Halle trainiert, sondern man muss viele Lehrgänge machen, planen und organisieren. Das Drumherum muss stimmen, denn sonst verbraucht man seine ganze Energie mit unwichtigen Dingen. Wenn ich weitermache, dann muss das alles passen und Dinge müssen sich ändern.
Merken Sie, dass es schwerer wird, sich zu motivieren und jeden Tag zum Training zu gehen?
Björndalen: Das Training ist überhaupt nicht das Problem, das Organisatorische ist das Problem. Mein Training war sehr gut im vergangenen Sommer, dann ist aus einem kleinen Problem ein großes geworden und das hat mir zu schaffen gemacht.
Trotz aller Motivation haben Sie die siebte Olympia-Teilnahme in Pyeongchang verpasst. Konnten Sie sich die Rennen der Männer überhaupt ansehen oder haben Sie darauf verzichtet?
Björndalen: Ich habe mir ein bisschen was angeschaut, habe mich aber auf die Rennen der Frauen konzentriert, denn ich war ja wegen meiner Frau da und wollte sie unterstützen. Ich habe mir nur das Männerrennen in der Verfolgung im Stadion angesehen, den Rest im Fernsehen.
Eigentlich sollte Ihre Karriere schon vor zwei Jahren nach der WM am Holmenkollen enden. Doch sie wurden Weltmeister und machten weiter. Wie ist es, auch 2018 wieder in Oslo anzutreten?
Björndalen: Ich gehe noch mit genau der gleichen Motivation an den Start wie vor 20 Jahren, so auch in dieser Woche. Ich habe großen Spaß an den Rennen und viel Spaß in der Vorbereitung. Ich liebe diesen Sport und die Herausforderungen. Ich liebe es auch zu sehen, wie sich unser Sport entwickelt hat. Wir sind jetzt auf einem sehr hohen Niveau, es gibt sehr viele gute Athleten aus vielen Nationen. Das beeindruckt mich und freut mich sehr.
Der Holmenkollen gilt im nordischen Skisport als legendär. Was macht diesen Ort so magisch?
Björndalen: Langlauf und Biathlon sind in Norwegen eine Kultur. Der Ort ist für jeden im Land ein Begriff, die Atmosphäre ist etwas ganz Besonderes. Jeder möchte gerne hier laufen, auch weil die Atmosphäre für alle so fair ist. Die Tradition macht es so besonders und es ist sicher einer der schönsten Orte, an denen man laufen kann.
Sie haben angekündigt, im Frühjahr mitteilen zu wollen, wie es mit Ihrer Karriere weitergeht. Wird es nach 26 Jahren im Weltcup Ihr letztes Mal am Holmenkollen?
Björndalen: Das wird man sehen. Ich bleibe dabei, dass ich mich nach der Saison äußern werde.
Kommende Woche geht es zum Weltcup-Finale ins russische Tjumen. Die USA, Kanada und Tschechien boykottieren die Rennen aufgrund des Dopingskandals um die Winterspiele 2014. Finden Sie es richtig, dort nicht anzutreten?
Björndalen: Ein Boykott ist für mich der schlechteste Ausweg. Aber ich habe sehr großes Verständnis für die Leute, die nicht dort hinfahren. Drei Nationen werden nicht hinfahren, fünf, sechs andere sind gegen einen Boykott und viele bleiben neutral. Ich bin Athletensprecher und meine Privatmeinung ist das eine, aber ich möchte auch für alle sprechen. Das ist eine sehr schwierige Entscheidung und ich habe Verständnis für beide Seiten. Für mich ist ein Boykott jedenfalls keine Lösung.
Zur Person: Ole Einar Björndalen (44) ist der erfolgreichste Biathlet der Geschichte. Der Norweger startet seit 1992 im Weltcup und gewann unter anderem acht olympische Goldmedaillen, 20 WM-Titel und sechsmal den Gesamtweltcup. Bei Olympia und WM holte Björndalen insgesamt 58 Medaillen, verpasste in diesem Jahr jedoch Norwegens interne Olympia-Norm und war in Pyeongchang als Betreuer seiner weißrussischen Ehefrau Darja Domratschewa dabei.
(dpa)