Bangkok – Geplant war das anders. Eigentlich wollte man sich mit Christian Ziege im Stadion von Ratchaburi zusammensetzen, einem Neubau mit Platz für 10.000 Leute, draußen in der thailändischen Provinz, zwei Autostunden außerhalb von Bangkok.
Und ein wenig über die Erfahrungen reden, die der Europameister von 1996 und Vize-Weltmeister von 2002 in seinen ersten Wochen als Trainer in Thailands erster Liga gemacht hat. Land, Leben, Leute.
Stattdessen sitzt Ziege nun mit seiner Frau Pia auf der Terrasse des «Duchess», einem Vier-Sterne-Hotel in Bangkok, und hat zwei Rückflug-Tickets in der Tasche. Nach nur 45 Tagen und zwei Pflichtspielen ist sein Thailand-Abenteuer schon wieder vorbei. Jetzt gönnen sich die beiden noch eine Woche Hauptstadt. Soll in Ratchaburi aber keiner wissen.
Was ist schief gelaufen? Ziege – inzwischen 46, ziemlich viel Tattoos für seine Altersklasse, kahlrasierter Kopf – weiß das selber noch nicht so genau. Zudem will er über die Trennung in «bestem gegenseitigen Einvernehmen», wie das in solchen Fällen gern heißt, auch nicht alles erzählen. «Wir hatten einfach unterschiedliche Vorstellungen, wie der Job auszusehen hat.»
Dabei waren die Hoffnungen anfangs groß. Der 72-fache Nationalspieler – mit Vereinstationen beim FC Bayern, AC Mailand, in England beim FC Liverpool, Middlesbrough und Tottenham Hotspur sowie schließlich in Mönchengladbach – wartete nach seiner Entlassung als Trainer beim Mallorca-Drittligisten Atletico Baleares auf einen neuen Job, als im Spätherbst das Angebot aus Thailand kam.
Andere hätten sofort Nein gesagt: ein Land, das man wegen seiner Strände kennt, aber doch nicht wegen seines Fußballs, aktuell Platz 129 der FIFA-Rangliste, zwischen Togo und den Komoren. Mit einer Liga, die man mit Deutschlands dritter oder vierter vergleichen kann. Und dann nicht einmal ein Spitzenverein, sondern der Tabellen-Sechste.
Aber immerhin: ein Verein mit dem Geld einer reichen Privatfamilie dahinter und Thailands größtem Zucker-Konzern als Hauptsponsor. Und Ziege hatte auch früher schon Trainerposten bei Vereinen übernommen, auf die andere keine Lust hatten, in Bielefeld oder Unterhaching. Warum also nicht? Nach ein paar Erkundigungen unterschrieb er kurz vor Weihnachten einen Zehnmonatsvertrag. «Ich bin nicht wegen des Geldes hergekommen», sagt er. «Ich brenne für den Job.»
Am 5. Januar ging es los. Ziege wohnte anfangs allein im Hotel. Ratchaburi hat einige schöne Tempel, aber die Ausgehmöglichkeiten sind doch begrenzt. Im Coffeeshop des Stadions gibt es zumindest einen ordentlichen Cappuccino. Der Kader der «Dragons» besteht aus zwei Dutzend Spielern, darunter der Thai-Deutsche Philip Roller und zwei Brasilianer. Mehr als drei Ausländer sind hier nicht erlaubt.
Der Ärger begann dann schon in der Vorbereitung auf die neue Saison, die in Thailand im Februar startet. «Im ersten Freundschaftsspiel wurde plötzlich ohne mein Zutun jemand auf den Platz geschickt», sagt Ziege. Auf der Bank tat sich vor allem ein Sohn der Besitzerfamilie hervor, der in der vorigen Saison wegen einer Prügelei mit einem gegnerischen Spieler landesweit Schlagzeilen gemacht hatte. Es gab auch wüste Drohungen.
Nach Zieges Schilderung folgten einige Aussprachen, aber wirklich besser wurde es nicht. Er flog zurück nach Deutschland, holte seine Frau nach. Die beiden blieben im Hotel, zogen aber weg aus Ratchaburi. Das erste Spiel in der Liga ging verloren. Die Premiere zuhause: ein 1:0-Sieg. Es gibt davon ein paar schöne Fotos, aber die Trennung war eigentlich schon besiegelt.
Ziege meint dazu: «Ich bin nicht hierher gekommen, damit mir jemand sagt, was ich zu tun habe. Wenn du als Trainer die Entscheidung nicht selber treffen kannst, bist du nur noch eine Marionette.» Mit Ratchaburis belgischem Manager Robert Procureur handelte er dann die Formalitäten aus. Procureur sagt nur: «Für uns ist das natürlich eine große Enttäuschung. Wir hatten große Hoffnungen in ihn gesetzt.»
Ziege sagt zu seinem Scheitern: «Ich gehe nicht im Zorn. Aber besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.» Mehr will er zu den Hintergründen in der Öffentlichkeit nicht erzählen. Nur noch so viel: «Das ist eine völlig andere Mentalität – etwas, was ich so noch nie erlebt habe.» Beim ersten Training ohne ihn kickt dann wieder der Sohn des Vereinsbesitzers mit, als wäre nie etwas gewesen.
Und jetzt? Einfacher ist die Sache nicht geworden. Ziege, der schon als Spieler gern als etwas zickig beschrieben wurde, weiß um seinen Ruf. «Ich bin kein schwieriger Mensch», sagt er. «Aber ich sage meine Meinung. Solche Leute werden schnell als schwierige Menschen abgestempelt.» Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb zum Ende seiner Spielerkarriere: «Ziege ist ein Unvollendeter geblieben, das älteste Talent der Welt.» Als Trainer ist er gewiss nicht weiter.
Jetzt hofft er auf die nächste Chance. Auch eine Rückkehr auf einen Posten als Sportdirektor wie anfangs in Gladbach schließt er nicht aus. «Ich könnte mir beides vorstellen. Ich kenne mich gut: Ich bin keiner, der auf längere Zeit einfach so in den Tag leben kann, ohne etwas zu arbeiten.» Ob es dann Deutschland oder das Ausland wird, sei ihm «völlig wurscht». Thailand aber muss es nicht mehr sein.
(dpa)