München – Miroslav Klose hat sein WM-Ticket von Joachim Löw schon ausgestellt bekommen – als einziger Weltmeister von 2014.
Der mit 16 Treffern erfolgreichste Torschütze der WM-Historie wird im Sommer aber nicht versuchen, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum fünften Titelgewinn zu schießen. Der 39 Jahre alte Ex-Profi wird beim Projekt Titelverteidigung in Russland vielmehr zum Betreuerstab des Bundestrainers gehören. Der einstige Weltklassestürmer Klose ist verantwortlich für seine Nachfolger in der Abteilung Attacke.
Klose zählt wie DFB-Ehrenspielführer Philipp Lahm (34), Bastian Schweinsteiger (33), Lukas Podolski (32) und Per Mertesacker (33) zu jenen Weltmeistern von 2014, die für den WM-Kader nicht mehr infrage kommen. Die spannende Frage lautet darum: Wie viele der 23 Champions von Rio werden auch im Sommer wieder mit dabei sein?
Die Rekordzahl von zwölf Weltmeistern von Italien 1990, die Berti Vogts vier Jahre später mit in den USA nahm, dürfte nicht erreicht werden. Löw hat «harte Entscheidungen» angekündigt, alte Verdienste gelten als verjährt. Nur die aktuelle Leistung zählt. «Die WM ist das Allergrößte. Sie steht über allen anderen Wettbewerben», sagte Löw.
DIE FIXKRÄFTE: Fest eingeplant hat Löw vor den ersten Länderspielen des Jahres im März gegen Spanien und Brasilien acht Weltmeister: Jérôme Boateng, Julian Draxler, Mats Hummels, Sami Khedira, Toni Kroos, Thomas Müller, Mesut Özil und Manuel Neuer, sofern der Kapitän nach drei Mittelfußbrüchen im vergangenen Jahr fit wird. «Er ist der beste Torwart der Welt, den brauchen wir unbedingt», sagte Löw.
In den erlauchten Kreis der etablierten Kräfte ist als Jüngster auch Julian Draxler aufgerückt. Der 24-Jährige kam bei seinem WM-Debüt nur zu einem Kurzeinsatz beim 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien. Beim Confed-Cup-Gewinn 2017 in Russland aber war er Kapitän und Anführer eines jungen deutschen Perspektivteams. «Bei uns spielt Julian mittlerweile eine große Rolle», äußerte Löw. Er sieht in Draxler eine Führungskraft nach der Generation um Neuer, Hummels und Khedira.
TOP-CHANCEN: Gute Aussichten, ihre zweite WM zu erleben, haben Mario Götze und Matthias Ginter. Bei Götze (25), dem Finaltorschützen von Rio, hängt eine Nominierung hauptsächlich vom Fitnesszustand ab. Bei seinem Länderspiel-Comeback nach längerer Erkrankung ließ Götze im November gegen Frankreich seine Fähigkeiten gleich wieder aufblitzen.
Seine listige Ballweiterleitung mit dem Außenrist ermöglichte Lars Stindl das späte Ausgleichstor zum 2:2. «Die Aktion war schon klasse, lobte Löw anschließend. Er sagte aber auch: «Mario wird besser und besser, aber er braucht noch ein bisschen.» Der ein Jahr jüngere Gladbacher Ginter – in Brasilien 2014 ohne Einsatzminute – war im DFB-Team einer der Gewinner des vergangenen Confed-Cup-Jahres.
WACKELKANDIDATEN: Benedikt Höwedes (29), André Schürrle (27) und Confed-Cup-Sieger Shkodran Mustafi (25) sind durch Verletzungen und Formkrisen ins Abseits geraten. Trotzdem gehört das Trio zu den 39 Akteuren, die zum erweiterten Kader des Nationalteams zählen.
Routinier Höwedes will sich nach einigen Verletzungen bei Juventus Turin in der Rückrunde neu aufdrängen. Der Ex-Schalker reklamiert Vielseitigkeit, Zuverlässigkeit und Erfahrung als Qualitäten für sich. 2014 war Höwedes der einzige Feldspieler neben Kapitän Lahm, der alle sieben WM-Partien über die komplette Distanz absolvierte.
Schürrle schlug im Finale gegen Argentinien im Maracanã-Stadion die entscheidende Flanke auf Torschütze Götze. In Dortmund ist er im Dauerformtief versunken. Sein letztes von 57 Länderspielen bestritt der schnelle Angreifer Ende März 2017 beim 4:1 gegen Aserbaidschan; in Baku glänzte Schürrle noch als zweifacher Torschütze.
Dass Mustafi 2014 den WM-Pokal in Händen halten konnte, hatte der Abwehrspieler auch dem Pech von Marco Reus zu verdanken. Der Dortmunder verletzte sich im letzten Testspiel vor dem Anflug nach Brasilien. Löw nominierte Mustafi nach, und der Nobody kehrte als Weltmeister heim. Aufgeben wird kein Höwedes, kein Schürrle, kein Mustafi.
DIE CHANCENLOSEN: Die Torhüter Roman Weidenfeller und Ron-Robert Zieler werden die Spiele in Russland ebenso wie Erik Durm, der zum Zweitliga-Profi abgestiegene Kevin Großkreutz (Darmstadt 98) und Christoph Kramer nur am Fernseher erleben. Der Gladbacher Kramer ersetzte im Endspiel 2014 noch kurzfristig den angeschlagenen Sami Khedira. Er erlitt bei einem Zusammenprall eine Gehirnerschütterung und musste früh raus. Berühmt geworden ist Kramer wegen seiner Frage an den Italiener Nicola Rizzoli: «Schiri, ist das das Finale?»
DIE ABGETRETENEN: Beim Versuch, in Russland das historische Titel-Double zu schaffen, muss Löw ohne große Fußballer wie Lahm, Klose, Mertesacker, Schweinsteiger und Podolski auskommen. Das Quintett hat die DFB-Karriere längst beendet. Lahm ist Ehrenspielführer, Unternehmer und seit neuestem Botschafter für die deutsche EM-Bewerbung 2024. Klose strebt eine Trainerlaufbahn an.
Mertesacker wird im Sommer beim FC Arsenal seine Profi-Karriere beenden und dort Nachwuchschef. «Brasilien war der perfekte Abschluss», sagte er. Schweinsteiger ist wie Podolski nach der EM 2016 als Nationalspieler abgetreten. Der 33-Jährige hat gerade für ein weiteres Jahres bei Chicago Fire unterschrieben. «Ich bin sehr froh, das fortzusetzen, was wir 2017 gestartet haben», sagte der gebürtige Bayer zum US-Abenteuer. Podolski schießt seine Tore in Japan für Vissel Kobe. Das Quintett eint die schönste gemeinsame Erinnerung, die Klose benannte: «Ganz klar: 2014 der Titelgewinn.»
(dpa)