UEFA-Chef Ceferin will «Wettbewerbsgleichgewicht»

Düsseldorf – Schalke verliert Leon Goretzka an die Bayern, BVB-Torgarant Pierre-Emerick Aubameyang steht vor einem Wechsel nach London, Naby Keita verlässt Leipzig Richtung Liverpool. Den Hauptkonkurrenten des Tabellenführers aus München gehen zunehmend die Stars aus.

Anders als dem deutschen Rekordmeister fällt es den Verfolgern immer schwerer, Leistungsträger zu halten. Das dürfte die Kluft zwischen den Bayern und dem Rest der Liga noch vergrößern. Ähnliche Entwicklungen im Ausland veranlassten UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zu einem ungewöhnlichen Vorstoß: «Wir müssen die reichsten Clubs davon abhalten, dass sie all die besten Spieler kaufen.»

In einem Interview der britischen Tageszeitung «Daily Telegraph» warnte der Chef des europäischen Dachverbandes vor einer drohenden Monopolisierung des Marktes: «Wir können nicht zulassen, dass die Größe einiger den Rest von uns überschattet und übertönt.» Aus Sorge um das «Wettbewerbsgleichgewicht» machte er sich für regulierende Maßnahmen stark: «Wir müssen uns neue Mechanismen anschauen wie Luxus-Steuern und – ganz besonders – sportliche Kriterien und faire Transferregeln, damit wir Spieler-Hortung und eine unverhältnismäßige Verteilung von Talent auf wenige Mannschaften verhindern.»

Die Entwicklung in der Bundesliga könnte dem Slowenen, der seit September 2016 im Amt ist, als Argumentationshilfe dienen. Nach nur 19 Spieltagen führt der FC Bayern die Tabelle mit 16 Punkten Vorsprung an. In den vergangenen vier Meisterjahren war der Abstand zum Zweiten am Saisonende stets zweistellig. Selbst Mats Hummels, als Verteidiger der Münchner eigentlich Nutznießer dieser Entwicklung, sehnt mehr Spannung herbei. «Ich denke, dass es der Bundesliga definitiv fehlt, dass eine zweite oder dritte Mannschaft richtig konstant punkten kann», sagte er dem TV-Sender RTL Nitro.

Auch der einstige Erzrivale aus Dortmund kann dem Branchenführer schon lange kein Paroli mehr bieten. In Hummels (München), Henrich Mchitarjan (Manchester United), Ilkay Gündogan (Manchester City), Ousmane Dembélé (FC Barcelona) und nun wohl auch Aubameyang gingen dem Revierclub binnen eineinhalb Jahren fünf Schlüsselspieler verloren. Das üppige Schmerzensgeld für die transferierten Profis kann den sportlichen Substanzverlust nur bedingt ausgleichen.

Ähnlich wie die Borussia musste auch der Revierrivale aus Schalke prominente Abgänge verschmerzen. Mit Leistungsträgern wie Goretzka, Leroy Sané (Manchester Ctiy), Sead Kolašinac (FC Arsenal) und Joel Matip (FC Liverpool) wäre die Aussicht auf künftige Erfolge sicher größer. Und auch die Leipziger bekommen die Kehrseite des Erfolgs zu spüren. Nicht auszuschließen, dass im Sommer nicht nur Keita geht.

Spieler wie Emil Forsberg und Marcel Sabitzer sind längst in den Fokus anderer Clubs gerückt. Ebenso ungewiss ist die Zukunft von Leon Bailey aus Leverkusen. Der erst 20 Jahre alte Shooting-Star dieser Saison hat das Interesse einiger finanzstärkeren Clubs geweckt.

Dennoch dürften die Vorschläge von Ceferin in Deutschland eher für Befremden sorgen. «Wenn du auch um Titel mitspielen willst auch international, brauchst du diese Qualität. Ich habe mit Uli (Hoeneß) diskutiert. Wir sind uns einig, dass wir irgendwann auch da mal ins Wasser springen müssen und Spieler in Preisklasse 80 bis 100 Millionen Euro verpflichten, um den Qualitätsstandard oben halten zu können», kündigte Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge unlängst bei Sky an.

Solche vollmundigen Aussagen sind ganz nach dem Geschmack von Christian Seifert. In einer vielbeachteten Rede forderte der DFL-Chef beim Neujahrsempfang seines Dachverbandes von den deutschen Clubs ein Bekenntnis zur Kommerzialisierung: «Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir uns zu einem gewissen Maß zum Kommerz bekennen.»

Die Explosion der Transfersummen im Fußball zu kritisieren, nannte Seifert in Teilen heuchlerisch und oberflächlich: «Der Profi-Fußball in Deutschland hatte in den letzten Jahren großen wirtschaftlichen Erfolg. Er muss aufhören, sich für seinen Erfolg zu rechtfertigen.»


(dpa)

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