Frankfurt/Main – Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler will bei der Leichtathletik-EM die große Revanche für seine WM-Niederlage schaffen und wieder Gold gewinnen.
«Nichts anderes kommt infrage», sagte der 26 Jahre alte Jenaer der Deutschen Presse-Agentur. «Die Zielsetzung ist bei mir immer ganz hoch. So wird geplant, so wird gelebt.» Allerdings wird er am 9. August im Berliner Olympiastadion auf starke Konkurrenten treffen.
Wie schnell man als Olympiasieger mit leeren Händen dastehen kann, musste Röhler 2017 erleben: Bei der WM in London schnappte ihm sein deutscher Rivale Johannes Vetter den Titel weg. Er selbst ging als Vierter medaillenlos aus. Außerdem empfahl sich auch der Mannheimer Andreas Hofmann mit seinen 91,07 Metern für höhere Ehren. «Mit drei 90-Meter-Werfern in Deutschland sind wir die Streitmacht auf der Welt schlechthin», stellte Röhler fest. «Wenn alle verletzungsfrei bleiben, wird es den klaren Favoriten nicht geben.»
Trotz der WM-Enttäuschung und der nur kurzweiligen Freude am deutschen Rekord – im Mai 2017 warf Röhler 93,90 Meter und im Juni übertraf Vetter die Bestmarke mit 94,44 Metern – blickt er nicht im Zorn zurück. «Dass es bei der WM ein vierter Platz wurde, ist sehr unglücklich gewesen», befand Röhler. «In so einem Fall pflege ich aber zu sagen: Rückspiegel abkleben und weitermachen. Der Blick ist klar nach vorne gerichtet.» Er analysiere Niederlagen grundsätzlich nie sehr lange, weil er es «für Zeitverschwendung» hält: «Ich analysiere lieber, was man von den Besten lernen kann und wie man als deutsches Team den Vorsprung halten und ausbauen könnte.»
Der fünfmalige deutsche Meister denkt eher strategisch und vor allem an den zweiten angestrebten Olympia-Coup. Nach den Rio-Spielen 2016 hat er mit seinem Coach Harro Schwuchow verschiedene Trainings- und Technik-Ansätze ausprobiert. «Es ging super vorwärts. Deshalb haben wir begonnen, langfristig in der WM-Saison zu planen», berichtete Röhler. «Wir haben es mit Blick auf die Sommerspiele 2020 in Tokio getan. Als Olympiasieger ist das mein nächster großer Traum.» Schwuchow sagte: «Dann ist Thomas im besten Alter. Dann greifen wir noch mal an.»
Die Zeit der Experimente – auch mit Drohnen, die Luftbilder von Würfen liefern – ist dennoch nicht vorbei. «Meinem Trainer und mir ist da alles zuzutrauen», sagte Röhler. «So haben wir schon vieles erreicht und die 90-Meter-Barriere geknackt. Den gleichen Weg wollen wir weitergehen, um die nächsten Barrieren zu überwinden.»
Eine Grenzüberschreitung wäre, den Weltrekord von Jan Železný zu übertreffen. Der Tscheche hatte am 25. Mai 1996 98,48 Meter weit geworfen – und zwar in Jena. «Den Weltrekord und 100 Meter weit: Ja, richtig – eines Tages», bestätigte Röhler.
Das Verhältnis zu dem Offenburger Vetter hat sich laut Röhler trotz der Niederlage von London nicht verschlechtert. «Wir pflegen ein extremes Sportmanns-Verhältnis, geprägt von Freundschaft und Respekt. Da hat sich wenig geändert», versicherte er. «Wir nehmen uns im Wettkampf als Gegner wahr, aber wir können uns gegenseitig auch immer Kraft und Sicherheit im Wettbewerb geben.» Das wolle man sich nicht kaputt machen lassen. «Ich arbeite aber im Training allein und will am Ende der Saison ganz oben stehen», betonte Röhler. «Das eine schließt das andere nicht aus.»
Für Vetter liegt in diesem Jahr der Fokus gleichfalls «eindeutig auf den Europameisterschaften in Berlin. «Das ist der Saisonhöhepunkt.» Auch der Weltmeister und Schützling von Bundestrainer Boris Obergföll blickt mit Stolz auf die nationale Konkurrenz: «In der Weltrangliste stehen wir auf Platz eins, zwei und vier.»
(dpa)