Oberstdorf (dpa) – Man stelle sich vor, der Deutsche Fußball-Bund wäre nach der verkorksten EM 2004 auf die Idee gekommen, einen Österreicher mit der Aufgabe des Nationaltrainers zu betrauen. Was im Fußball als undenkbar gilt, war auch im Skispringen viele, viele Jahre ein Tabu.
Doch dann kam im März 2008 Werner Schuster aus dem Kleinwalsertal und sollte die DSV-Adler aus einem der größten Tiefs der Verbandsgeschichte führen. «Das war hausintern nicht so einfach. Da gab es nicht nur Fürsprecher», erinnert sich der Sportliche Leiter Horst Hüttel, der Schuster holen wollte, knapp zehn Jahre später.
Im Dezember 2017, kurz vor dem Start in die Vierschanzentournee an diesem Samstag in Oberstdorf (16.30 Uhr) gilt Schuster längst als ein Garant für deutschen Skisprung-Erfolg. Und aus dem Team um die Topspringer Richard Freitag und Andreas Wellinger ist er schon seit Jahren nicht mehr wegzudenken. «Da braucht es schon breite Schultern, es über so lange Zeit gut zu machen», sagte Gelb-Träger Freitag, der bei der Tournee als Favorit ins Rennen geht und für einen der letzten Titel, der in der Ära Schuster noch fehlt, sorgen könnte.
Der 48-Jährige Schuster ist fortschrittlich, akribisch und realistisch. Als er seinen Posten beim DSV antrat, hatte Michael Neumayer den Weltcup-Winter als bester Deutscher auf Gesamtrang 16 beendet. Vor dem Tournee-Start 2017/18 sieht die Situation im Klassement so aus: Freitag Erster, Wellinger Zweiter, dazu Markus Eisenbichler auf Rang acht und Karl Geiger (14.) sowie Stephan Leyhe (16.) in der erweiterten Weltspitze. «Ich glaube, auch wenn die ersten Jahre schwierig waren, ist doch vieles gelungen», sagte Hüttel der Deutschen Presse-Agentur. Nachhaltigkeit und seriöses Arbeiten hätten immer im Mittelpunkt gestanden.
Der Vertrag des Österreichers gilt bis zur Nordischen Ski-WM 2019 in Seefeld, quasi ein Heimspiel für den Vorarlberger. «Ich persönlich hoffe sehr, dass er uns auch über 2019 hinaus erhalten bleibt, aber das werden wir hausintern im Laufe des kommenden Herbstes besprechen», sagte Hüttel. Zumal es 2021 in Oberstdorf noch eine WM gibt, die Trainer-Routinier Schuster reizen könnte.
Bei den Athleten ist der ehemalige Skipringer unumstritten und hoch angesehen. «Werner schafft es sehr gut, die unterschiedlichen Teams zusammenzufügen, dass alle am selben Strang ziehen und der Athlet sich zu 100 Prozent konzentrieren kann», sagt der 22-jährige Wellinger, der als Profi noch nie mit einem anderen Chefcoach zusammengearbeitet hat. «Ich glaube, dass er sehr komplett ist. Er hat eine sehr hohe Fachexpertise», lobt Hüttel.
Und Schuster selbst? Der wirkt oft bescheiden und ist stets bemüht, seine Athleten in den Vordergrund zu rücken. Er selbst könne die Titel ja eh nicht gewinnen, befindet er im Hinblick auf die Vierschanzentournee.
Der Durchbruch für seine Zeit beim DSV sei der Team-Olympiasieg 2014 in Sotschi gewesen, befand Schuster. «Da wusste ich: Egal, wie das Projekt ausgeht, es hat sich gelohnt. Nachdem Severin Freund Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger wurde, hat das gesamte Team eine tiefe Befriedigung gespürt», erzählt er. In diesem Winter gibt es bei Tournee, Skiflug-WM und den nächsten Olympischen Spielen weitere große Titel zu gewinnen. Die bestmögliche Grundlage hat Schuster mit seinem Trainerteam geschaffen.
(dpa)