London – Im «Fandorf» des Alexandra Palace steigt die Party schon vorher. An Burger- und Bierbuden stärken sich die Zuschauer für den rund dreistündigen Abend, während Partyhits aus den Boxen dröhnen. Ashley und seine Kumpels prosten sich mit Pints zu.
«Wir sind das dritte Jahr in Folge hier», erzählt der 26-Jährige. «Es ist eine großartige Party. Alle haben ihren Spaß und amüsieren sich, vor allem wegen der Kostüme.» Die Gruppe aus London hat sich als Wikinger verkleidet. «Letztes Jahr war ich als Elefant hier», sagt Ashley.
Andere nehmen für das Vergnügen eine weitere Anreise auf sich. Torben und seine Freunde sind aus Hamburg eingeflogen. Der 25-Jährige kennt die Darts-WM bisher nur aus dem Fernsehen. «Geile Stimmung hier», schwärmt er. «Die ganze Atmosphäre, das ist einfach atemberaubend.» Er trägt einen Anzug mit Batman-Symbolen. Seine Begleiter haben knallbunte Anzüge mit Star-Wars- und Pac-Man-Motiven an, dazu die passenden Krawatten. «Ein geiles Outfit gehört einfach dazu», findet Torben. Dann wird es Zeit für neues Bier.
Carsten hält schon einen großen Bierkrug in der Hand. Der 24-Jährige im Weihnachtspullover ist aus dem niedersächsischen Lorup für drei Abende angereist. Ursprünglich war seine Clique zu viert, doch die Gruppe ist inzwischen größer geworden. «Man lernt hier immer wieder viele meganette Leute kennen», berichtet er spürbar angeheitert. Mit den weiblichen Fans hat es offenbar noch nicht geklappt. «Daran arbeiten wir noch», lacht Carstens Kumpel aus dem Hintergrund. Männer sind im «Ally Pally» klar in der Überzahl.
Torben, Carsten und Co. gehören zu einer stetig wachsenden Gruppe deutscher Fans. 22 Prozent der Eintrittskarten wurden in diesem Jahr nach Deutschland verkauft, sagt Matthew Porter, Geschäftsführer der Professional Darts Corporation (PDC). Bei knapp 70 000 Zuschauern sind das über 15 000. «Die deutschen Fans sind toll», schwärmt Porter. «Deutschland ist ein wichtiges Darts-Land.» Es gibt deutsche Schilder im «Ally Pally», auch deutsches Sicherheitspersonal.
Eingreifen müssen die Sicherheitsleute trotz des hohen Bierkonsums kaum. Denn die Fans gelten – im Gegensatz zu manchen Fußballfans – als überaus friedlich. «Die Leute gehen zum Fußball, um ihr Team siegen zu sehen», erklärt Porter den Unterschied. «Wenn man Darts guckt, ist es eigentlich egal, wer gewinnt. Und wenn der favorisierte Spieler verliert, macht das nix. Es gibt ja noch ein Match und noch ein Bier. Und der Spaß geht weiter. Deswegen ist hier so eine Party-Stimmung und es gibt keinen Ärger.»
Dass der Sport in den Hintergrund treten könnte, macht Porter keine Sorgen. «Die Spieler konzentrieren sich auf ihre Darts, die kennen die Atmosphäre», sagte Porter. «Einige Leute sind wegen der Darts hier, andere nicht so sehr. Aber alle sind hier, um Spaß zu haben. Und den haben sie in der Regel auch.» So wie Jeremiah. Der 31-Jährige ist zum sechsten Mal hier. «Wir gucken nicht eine Minute Darts», scherzt er. «Wir trinken einfach gern mit unseren Freunden und singen 180.» 180 ist die höchstmögliche Punktzahl mit drei Pfeilen.
Während die Dart-Profis auf der Bühne ihr Bestes geben, steigt in der Westhalle des «Ally Pally» noch ein weiterer Wettstreit. Fangruppen versuchen sich mit lautstarkem Gesang und Gegröle gegenseitig zu übertönen. «You can’t afford a table» («Ihr könnt euch den Tisch nicht leisten») singen die Fans, die einen der begehrten Plätze vor der Bühne ergattert haben. «Boring, boring tables» («Langweilige, langweilige Tische»), grölen die Zuschauer auf der Tribüne. Das hat seit Jahren Tradition. Genauso wie der Kultsong «Chase The Sun» von Planet Funk, der nach jeder Runde durch die Halle schallt. Dann singen wieder alle gemeinsam «döp döp».
Es gab Überlegungen, die Veranstaltung von der Westhalle, die Platz für rund 3000 Zuschauer bietet, in die doppelt so große Haupthalle zu verlegen. Damit hätte die PDC auf die stetig steigende Nachfrage nach Karten reagiert. Doch das Thema ist vom Tisch. «Wir waren der Meinung, dass die Atmosphäre in der Westhalle einfach zu gut ist. Außerdem gab es logistische Schwierigkeiten», sagt Porter. «Und wenn ich mir die Atmosphäre und das Niveau ansehe, dann war es die richtige Entscheidung.»
(dpa)