Manchester – Ist es nur die Ruhe vor dem Sturm oder gehört die erbitterte Rivalität zwischen den Startrainern José Mourinho und Pep Guardiola der Vergangenheit an?
Vor dem Premier-League-Kracher zwischen Fußball-Rekordmeister Manchester United und Tabellenführer Manchester City war jedenfalls wenig zu spüren von der Feindschaft, die beide einst in Spanien als Trainer von Real Madrid und dem FC Barcelona vorgelebt hatten. Die Boulevard-Zeitung «Daily Mail» lobte schon, «dass sie das Kriegsbeil in Manchester begraben haben».
Nur ein paar Nickligkeiten gab es vorab. City-Coach Guardiola hatte David Silva für den Champions-League-Trip nach Donezk (1:2) geschont und erklärt, wegen Beschwerden könne der Spanier sogar das Derby verpassen. Mourinho bezweifelte das und vermutete Psycho-Spielchen. Für größeres Aufsehen sorgte ein unsportlicher Kommentar von United-Profi Paul Pogba. «Es ist fies, so etwas zu sagen», räumte der Franzose in der BBC-Sendung «Football Focus» ein, «aber ich hoffe, dass sich einige sehr wichtige Spieler verletzen – so wie bei uns.» Pogba selbst fehlt im Derby wegen einer Roten Karte.
Guardiola wollte Pogbas Aussagen nicht überbewerten. «Ich bin mir sicher, dass es nur ein Spruch war und er niemandem eine Verletzung wünscht», meinte er. «Ich hätte gern, dass Paul gegen uns spielt, denn ich will immer gegen ein Team mit den besten Spielern antreten, um zu sehen, ob wir sie schlagen können.» In Bestbesetzung oder nicht – mit dem Tabellenzweiten Man United und Spitzenreiter Man City treffen am Sonntag die beiden derzeit besten Premier-League-Teams aufeinander. Das Boulevardblatt «The Sun» erwartet einen «Thriller».
Mit acht Punkten Vorsprung schwebt Guardiolas Elf zumindest noch bis Sonntag in anderen Sphären als Mourinhos Red Devils. «Die große Frage vor diesem Duell in Old Trafford ist, ob United die Wirkung des City-Spiels minimieren kann», schrieb die britische Zeitung «The Independent». Mourinho gibt gern den Spielverderber, aber wie defensiv wird er seine Mannschaft am Sonntag spielen lassen? Der Portugiese muss abwägen: Eine Niederlage wäre die Vorentscheidung in der Meisterschaft. Ein Remis wäre aber wohl auch zu wenig, um Man City noch einzuholen. Nur ein Sieg würde wirklich helfen.
«Wenn sie das gewinnen, dann geht das Spiel weiter», glaubt auch der englische Ex-Nationalspieler und TV-Experte Alan Shearer. «Nicht nur, weil der Abstand dann nur noch fünf Punkte beträgt, sondern auch psychologisch, weil sie dann Zweifel gesät haben.» Nach 13 Ligasiegen in Folge, darunter ein paar Last-Minute-Erfolgen, ist jedoch fraglich, ob sich City aus der Ruhe bringen lässt. Mit dem 14. Sieg in Folge würde Guardiolas Team übrigens einen neuen Liga-Rekord aufstellen. Eine solche Siegesserie gelang bisher noch keinem Team.
Laut der Zeitung «Telegraph» wird die mit Spannung erwartete Partie in 189 Länder und eine Milliarde Haushalte übertragen. Man City hätte für eine eigenen Doku-Serie gern auch hinter den Kulissen gefilmt. Doch Man United lehnte ab, offiziell aufgrund von TV-Rechten. Oder wollte der Rekordmeister verhindern, dass City einen möglichen Derby-Triumph medial ausschlachtet? Die Anspannung ist vor dem Derby womöglich doch größer, als es scheint. Und wer weiß, ob Mourinho und Guardiola das Kriegsbeil am Sonntag nicht doch wieder ausgraben.
(dpa)