Leipzig – Das vorzeitige Erreichen des ersten WM-Etappenziels war für Michael Biegler nicht mehr als eine Randnotiz. Schließlich soll das Achtelfinale für die deutschen Handball-Frauen nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Hamburg sein, wo die DHB-Auswahl um die Medaillen spielen will.
Doch den Blick in die Zukunft schweifen lassen wollte der Bundestrainer nach dem 22:22 im Handball-Krimi gegen Serbien nicht. «Der Fokus liegt ganz klar auf der eigenen Mannschaft. Wir müssen ganz schön die Kurve kriegen, aber das werden wir auch tun», sagte er.
Typisch Biegler: Der 56-Jährige denkt in anderen Kategorien – nämlich aufgabenorientiert von Spiel zu Spiel. Mit Herz und Hirn treibt er seine im Turnierverlauf noch ungeschlagenen Ladies immer wieder an. «Die Mannschaft arbeitet stetig daran, auf ein höheres Niveau zu kommen. Dafür gebührt ihr sehr viel Lob», sagte Biegler, der sein Amt am 1. April 2016 übernahm.
Der stets etwas mürrisch wirkende Bundestrainer, dessen rauchige Stimme eher an einen Gangsterpaten aus einem Hollywood-Film als an einen Frauenversteher erinnert, hat sich als Idealbesetzung für den Posten erwiesen. «Michael findet immer den richtigen Zugang zu den Spielerinnen», lobte DHB-Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld. «Wie er mit der Mannschaft umgeht, diese Wertschätzung, die er ihr zeigt, ist genial.»
Biegler, der nach der Heim-WM auf eigenen Wunsch an den Niederländer Henk Groener übergibt und zum Männer-Bundesligisten SC DHfK Leipzig wechselt, scheute auch nicht vor unpopulären Entscheidungen zurück. So sortierte er Torjägerin Susann Müller vom deutschen Meister SG BBM Bietigheim aus und scharte Spielerinnen um sich, «die dem Projekt über 20 Monate jeden Tag Energie zugeführt haben».
Entstanden ist daraus eine verschworene Truppe, die gegen alle Widrigkeiten wie Verletzungen oder Rückstände ankämpft. «Die Mannschaft hat zuletzt viele Nackenschläge weggesteckt», sagte Biegler. «Die ausgewählten Spielerinnen machen das überragend. Die Art und Weise, wie sie auftreten, ist sehr sympathisch.»
Das Ergebnis kann sich vorerst sehen lassen. Bei ihren bisherigen WM-Auftritten überzeugte die DHB-Auswahl – bei allen Fehlern – mit Leidenschaft und Kampfgeist. «Wir haben einen unglaublichen Teamspirit», sagte Linksaußen Angie Geschke. «Man muss immer mit uns rechnen.»
Als nützlich erweist sich dabei, dass sich Biegler mit seinem breiten Kreuz immer schützend vor die Mannschaft stellt. Falls die WM-Mission mit dem Ziel Halbfinale scheitert, solle man das bitte «am Cheftrainer festmachen. Den Ladies steht es gut zu Gesicht, weiter aufgabenorientiert zu arbeiten, damit die 20 Monate nicht umsonst waren», sagte Biegler schon vor Turnierbeginn.
Manchmal schützt die Mannschaft aber auch den Coach, der im Spiel schon mal wie ein brodelnder Vulkan ausbricht. Da sei er dann ein «völlig durchgeknallter Trainer, der sich nicht beherrschen kann, wenn er mit irgendetwas nicht einverstanden ist», beschrieb sich Biegler selbst. Das brachte das Team schon zweimal in Unterzahl, was sowohl gegen Südkorea als auch gegen Serbien aber ohne Folgen blieb. «Die Mannschaft hat meine Zeitstrafe perfekt ausgebügelt», bedankte sich Biegler und gelobte Besserung. «Das darf mir nicht noch einmal passieren.»
(dpa)