Mönchengladbach – Von der Aussicht auf Olympia-Gold lässt sich Ski-Freestylerin Lisa Zimmermann nicht beeinflussen – sie zieht ihr eigenes Ding durch. Allein traf sie die Entscheidung, auf eine Operation nach ihrem Kreuz- und Innenbandriss zu verzichten.
«Ich mache das, wonach ich mich fühle. Klar ist eine OP der sicherere Weg, weil das mehr Leute gemacht haben», sagte die 21-Jährige der Deutschen Presse-Agentur, «aber wenn man den Weg geht, den alle Leute gehen, landet man da, wo alle anderen Leute landen. Die meisten, die was Großes erreichen, haben ihren eigenen Kopf.»
Der folgenschwere Sturz in Mammoth Mountain passierte Anfang Februar. Kann die Nürnbergerin ein Jahr später bei den Winterspielen vom 9. bis 25. Februar in Pyeongchang starten, zählt sie zu den großen Favoritinnen: Zimmermann feierte 2015 den WM-Titel im Slopestyle und gilt als Ausnahme-Artistin auf Skiern, die ihren Sport wie kaum eine andere beherrscht. Nur: Etwas mehr als zehn Wochen vor dem Auftakt in Südkorea joggt sie gerade einmal, mit dem Training auf Skiern hat sie noch nicht begonnen. Für seitliche Drehbewegungen fehlt dem Knie die Stabilität. Und qualifizieren muss sich die ehemalige Eiskunstläuferin bis spätestens 21. Januar auch noch.
Den Heim-Weltcup in der nicht-olympischen Disziplin Big Air am Freitag in Mönchengladbach wird sie nur als Zuschauerin vor Ort verfolgen. Die Chancen auf ihre Olympia-Teilnahme kann sie nicht beziffern. «Es kann komplett gechillt sein, es kann auch gar nicht funktionieren», sagte sie. «Es kann sein, dass ich Mitte Dezember auf Skiern stehe, es kann sein, dass ich erst Mitte Januar auf Skiern stehe, das ist komplett offen.» Eine zehntägige krankheitsbedingte Pause warf sie in der Reha zuletzt zurück. Pauschal habe sie ohnehin mit einem guten Jahr Pause kalkuliert, egal bei welchem Behandlungsweg.
Negativbeispiele von Ski-Freunden hatten den Ausschlag für die Entscheidung gegen eine OP gegeben. Viele seien in eine Spirale geraten, berichtete die Big-Air-Siegerin bei den X-Games 2017: Kreuzbandriss, OP, Riss, nächste OP, wieder eine schwere Verletzung. Falls Leute ihre Entscheidung nicht nachvollziehen können, sei ihr das reichlich egal, sagte die Bayerin. «In meinen Augen macht es keinen Sinn, mit einer OP wieder zu früh auf den Schnee zu gehen. Es ist natürlich die Frage, ob ich jetzt aus dem Kreislauf draußen bleibe. Ich weiß selber nicht, ob es ein guter oder schlechter Weg ist.»
Für die Ausnahmeathletin wächst der Zeitdruck. Realistisch bleiben ihr nur die beiden Weltcups in Snowmass und Mammoth Mountain im Januar für die Quali. Zuzutrauen ist es ihr – sicher ist es auf keinen Fall. «Ich persönlich bin da etwas skeptisch», sagte der sportliche Leiter für Freeski im Deutschen Skiverband, Heli Herdt.
Zimmermann trainiert selbstständig. Die Athletin gilt als Freigeist. Der Sport ist für sie mehr als Wettbewerb und Medaillen, er ist eine Lebenseinstellung. Mit dem bürokratischen Verbandsbetrieb hat so mancher aus der Szene Probleme – und Olympia ist nicht das Nonplusultra. «Wenn es nicht ausgeht, dann geht es nicht aus. Das hängt ganz von meinem Knie ab. Es ist jetzt kein Weltuntergang», sagte Zimmermann. Auch vielen ihrer Sponsoren sei es egal, ob sie in Pyeongchang starte oder nicht. Reicht es nicht, will sie sich intensiver einem Filmprojekt widmen. «Ich habe für beide Varianten eine Lösung. Ich bin mit beiden Wegen happy.»
(dpa)