Reykjavik – Leuchtraketen stiegen in den nasskalten Abendhimmel von Reykjavik auf und sorgten rund um das Laugardalsvöllur Stadion für eine festliche Stimmung. In der Arena stimmten Islands Fußball-Helden zusammen mit den begeisterten Fans den legendären «Huh»-Schlachtruf an.
Auch auf den Straßen der Hauptstadt feierten die Bewohner des kleinen nordeuropäische Land nach dem 2:0-Sieg gegen den Kosovo bis in den frühen Dienstagmorgen die erste WM-Teilnahme. Wie schon 2016 bei der EM in Frankreich sind die verrückten Wikinger auch im kommenden Jahr in Russland dabei.
Den TV-Reporter Haukur Hardarson übermannten direkt nach dem Schlusspfiff die Gefühle. «Als ich noch ein kleiner Junge war, habe ich diesen albernen Traum gehabt, dass Island eines Tages zur WM fährt. Jetzt ist dieser Traum wahr geworden», sagte er mit ergriffener Stimme. Gudni Bergsson, der Präsident des isländischen Fußballverbandes, bemerkte: «Falls ich träumen sollte, weckt mich bitte nicht auf!». Passend hierzu titelte die Zeitung «Morgunbladid»: «Die WM ist nicht mehr länger ein Traum.» Und auf der Titelseite von «Frettabladid» stand groß geschrieben: «Russland: Wir sind unterwegs.»
Durch die Tore des ehemaligen Hoffenheimers Gylfi Sigurdsson (40.) sowie von Johann Gudmundsson (67.) holte Island die noch fehlenden Punkte zur WM-Qualifikation. Das Land mit 330 000 Einwohnern kann nun seine sagenhafte Geschichte vom EM-Sommer 2016 beim Weltturnier in Russland fortsetzen. Nationaltrainer Heimir Hallgrimsson konnte sein Glück zunächst gar nicht richtig in Worte fassen: «Das ist so verrückt. Meine Gedanken sind überall.»
Der 50-Jährige vergaß in der Stunde des Triumphes auch nicht, die Aufbauarbeit seines Vorgängers Lars Lagerbäck zu würdigen. «Wir haben ihn gebraucht. Er hat die Basis dessen geschaffen, was wir hier machen», sagte der frühere Assistent Lagerbäcks, der nach der EM im vergangenen Jahr den Cheftrainer-Posten übernommen hatte.
Island hat seit dem verlorenen Relegations-Spiel gegen Kroatien für die WM 2014 in Brasilien eine großartige Entwicklung genommen. An deren vorläufigen Höhepunkt steht nun die erstmalige WM-Teilnahme. «Wir haben den Berg erklommen und blicken nun zum nächsten. Wir ziehen unsere Wanderstiefel an und gehen los», beschrieb Hallgrimsson die kommende Aufgabe.
Die Sympathie wird den Isländern auch außerhalb ihrer Insel gewiss sein: Welches andere Team kann schon von sich behaupten, aus einem der kleinsten Länder Europas zu kommen und fast ohne hoch bezahlte Stars so erfolgreich Fußball zu spielen? Torschütze Sigurdsson erinnerte zu Recht daran, dass Island in einer starken Gruppe mit Kroatien, der Ukraine oder der Türkei Platz eins erreicht hat. «Wir können sehr stolz auf uns sein», meinte der Mittelfeldspieler des FC Everton.
Staatspräsident Gudni Johannesson hob die gesellschaftliche Bedeutung des historischen Momentes hervor. «Dieser unglaubliche sportliche Erfolg tut dieser Nation so gut», sagte er der Zeitung «Morgunbladid». Das Land sei in vielen Dingen gespalten. «Deshalb ist es großartig, dieses Team zu haben, das uns vereint», meinte der frühere Historiker.
Im vergangenen Jahr hatte Island bei der Europameisterschaft bereits für Furore gesorgt und war erst im Viertelfinale mit 2:5 an Gastgeber Frankreich gescheitert. In der Vorrunde hatten die Isländer ungeschlagen Platz zwei belegt und im anschließenden Achtelfinale die Engländer sensationell mit 2:1 besiegt. Mit ihrem leidenschaftlichen Fußball und den enthusiastischen Anhängern hatte das kleine Inselvolk das Turnier bereichert. Darauf darf sich nun auch Russland im kommenden Jahr freuen.
(dpa)