London – Michael Zorc war mächtig verärgert. Mit finsterer Miene und deutlichen Worten kommentierte der Sportdirektor den bitteren Fehlstart von Borussia Dortmund in die Champions League.
Für das 1:3 (1:2) bei Tottenham Hotspur in der Fußball-Kultstätte Wembley machte er vor allem den Italiener Gianluca Rocchi verantwortlich. «Der Schiedsrichter hatte leider nicht das Niveau dieser Spielpaarung. Wenn auf solch einem Niveau Fehlentscheidungen getroffen werden, ist es schwer, das Spiel am Ende noch zu drehen.»
Stein des Anstoßes war der Treffer zum vermeintlichen 2:2 durch Pierre-Emerick Aubameyang in der 56. Minute, dem der Referee wegen einer angeblichen Abseitsstellung fälschlicherweise die Anerkennung verweigerte. «Kein Mensch weiß, warum das zurückgenommen wurde. Ich hätte gern gesehen, wie sich das Spiel entwickelt hätte, wenn der Tor gegeben worden wäre», klagte Zorc. Wie der Sportdirektor haderte auch Ömer Toprak mit der Vorstellung des Unparteiischen. «Schwere Fehlentscheidungen haben das Spiel extrem beeinflusst», beanstandete der Abwehrspieler, der zudem auf ein angebliches Foul von Harry Kane an Nuri Sahin vor dem 2:1 verwies. Anders als in der Bundesliga wird in der Champions League kein Videobeweis eingesetzt.
Selbstkritik gab es dagegen kaum zu hören. Dabei erwies sich der vom neuen Trainer Peter Bosz favorisierte Hurra-Fußball mit frühem Pressing und hoch stehender Abwehr für die Champions League als nur bedingt tauglich – anders als in den bisher eher leichten Bundesliga-Duellen mit Wolfsburg, Hertha und Freiburg. Zwar verzeichnete der BVB mit 64 Prozent deutlich mehr Spielanteile als Tottenham und gewann auch die Mehrzahl der Zweikämpfe (55%), wurde aber Opfer der großen Effektivität des Gegners.
Die zuvor in 360 Pokal- und Meisterschaftsminuten unbezwungene Dortmunder Abwehr erwies sich als Schwachpunkt. Heung-Min Son (4.) und der starke Kane (15./60.) nutzten die großen Räume eiskalt aus. «Bei den Gegentoren waren wir zu lieb. Ich bin enttäuscht, weil heute mehr drin war», bekannte Fußball-Lehrer Bosz, der seiner Mannschaft aber dennoch «eine gute erste Halbzeit» attestierte.
Die Niederlage in dem zum Schlüsselduell um Platz zwei erklärten Spiel gegen das englische Spitzenteam erschwert die Aufgabe in der wohl anspruchsvollsten Champions-League-Gruppe zusätzlich. Zumal im Kräftemessen in zwei Wochen mit Titelverteidiger Real Madrid, der 3:0 gegen Außenseiter APOEL Nikosia gewann, weiteres Ungemach droht. Womöglich entscheidet der direkte Vergleich mit den Spurs über ein Weiterkommen in der Königsklasse. Bosz richtete für das Rückspiel eine Kampfansage an die Engländer: «Noch ist alles offen. Sie müssen immer noch nach Dortmund kommen.»
Zu allem Überfluss droht Weltmeister Mario Götze eine neuerliche Zwangspause. In einem Zweikampf mit Jan Vertonghen erhielt der Weltmeister einen Schlag ins Gesicht. «Er hat Probleme mit den Zähnen. Das sieht nicht so gut aus. Nicht alle Zähne sind mehr an der richtigen Stelle», sagte Bosz, «es tut schon weh, wenn man darüber spricht.»
Der größte Lichtblick im Dortmunder Spiel war Andrej Jarmolenko. Allein bei seinem sehenswerten Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1 (11.) in bester Arjen-Robben-Manier deutete der Neuzugang von Dynamo Kiew an, warum er dem BVB 25 Millionen Euro im Sommerschlussverkauf wert war. «Er passt zu uns», befand Zorc, «gute Fußballer brauchen selten eine lange Eingewöhnungszeit.»
Nicht nur der starke Auftritt von Jarmolenko, sondern auch die Vereinshistorie machen Mut für die weiteren Gruppenspiele. Auch 1995 (1:3 gegen Juventus), 2002 (0:2 beim FC Arsenal) und 2013 (1:2 in Neapel) verlor die Borussia die erste Partie, schaffte aber noch den Sprung in die nächste Runde. Sportdirektor Zorc gab beim Verlassen des Wembley Stadions die Richtung vor: «In der Champions Legaue ist es immer einfach. Du musst deine Heimspiele gewinnen. Dann hast du ein relativ gute Chance, weiter zu kommen.»
(dpa)