Düsseldorf – Neue Anstoßzeiten, alte Favoriten, viel Tradition. Nach langer Sommerpause von 13 Wochen startet die Bundesliga in ihre 55. Saison. Die weitere Zerstückelung der Spieltage und die Einführung des Videobeweises werten viele Beobachter als unvermeidlichen Aufbruch in die Moderne.
Wenig Veränderungen werden jedoch im Titelkampf erwartet. Ein Ende der nunmehr fünfjährigen Münchner Alleinherrschaft scheint nicht in Sicht. Dennoch hat Kölns Trainer Peter Stöger die Hoffnung auf mehr Spannung noch nicht aufgegeben: «Wenn Usain Bolt einen 100-Meter-Lauf verliert, kann vielleicht auch mal ein anderer Meister werden.»
Ungeachtet der Niederlage des scheidenden Sprintkönigs aus Jamaika bei der Leichtathletik-WM in London gaben die Trainer in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ein deutliches Votum ab. 15 Fußball-Lehrer glauben an den sechsten Titel in Serie für Rekordmeister FC Bayern. Immerhin zwei trauen auch Borussia Dortmund Platz eins zu – die meisten sehen den BVB und RB Leipzig als Herausforderer. «Auch wenn wir uns alle nach mehr Spannung sehnen, werden wir wohl auch in der kommenden Saison nicht an Bayern München vorbeikommen», kommentierte Bremens Coach Alexander Nouri.
Die Zeiten aber, in denen sich die Bayern 25 oder 19 Punkte Vorsprung wie 2013 und 2014 erspielten, sind nach Meinung des Mönchengladbacher Trainers Dieter Hecking vorbei. «Insgesamt ist die Liga in der Lage, den Abstand zu verkürzen. Die Bayern werden mehr Stolpersteine auf ihrem Weg haben. Das kann die spannendste Saison aller Zeiten werden.»
Die größere Ausgeglichenheit der Liga stützt diese These. Außenseiter wie Greuther Fürth, Paderborn, Darmstadt und Ingolstadt, die den Marktgesetzen in den vergangenen Jahren zumindest für kurze Zeit in erfrischender Manier trotzten, sind nicht mehr dabei. Mit dem VfB Stuttgart und Hannover 96 kehrten zwei Traditionsteams zurück, die in der ewigen Bundesligatabelle Rang 5 und 15 belegen. Eine Prognose, welche Clubs zu den Abstiegskandidaten zählen, scheint nicht zuletzt deshalb schwieriger denn je.
Was für einen neuerlichen Alleingang der Bayern spricht, ist deren hohe Investitionsbereitschaft. Kein Verein gab bisher auch nur annähernd soviel Geld für die Verstärkung des Kaders aus. Profis wie Leihspieler James Rodriguez, Corentin Tolisso, Niklas Süle, Sebastian Rudy und Kingsley Coman (war bisher nur ausgeliehen) kosteten gut 90 Millionen Euro und sollen helfen, den Verlust solcher Erfolgsgaranten wie Philipp Lahm und Xabi Alonso zu kompensieren.
Dem vermeintlichen Hauptkonkurrenten aus Dortmund könnte zum Vorteil gereichen, dass in diesem Jahr ausnahmsweise kein Leistungsträger verloren ging. Ob die rund 44 Millionen Euro teuren Zukäufe die Schlagkraft erhöhen, wird auch davon abhängen, ob das Konzept des neuen Trainers Peter Bosz greift.
Mehr als über das Kräfteverhältnis der Liga oder deren bisherige Transferausgaben wurde zuletzt über die Einführung des Videobeweises diskutiert – und das bereits vor dem Eröffnungsspiel in München am 18. August. Nach dem Fehlstart beim Supercupsieg der Bayern in Dortmund, als eine technische Panne die Beurteilung einer angeblichen Abseitsposition verzögerte, fühlen sich die Kritiker bestätigt.
Zum großen Kreis der Skeptiker gehört Uli Hoeneß. «Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es Blödsinn ist. Wenn wir mal bei zehn Grad minus spielen und während eines Spiels wird fünfmal zwei Minuten unterbrochen, dann musst du noch die Fitnesstrainer auf den Platz schicken, damit die Spieler warm bleiben», spottete der Bayern-Präsident.
Weniger kritisch beurteilen die Vereinsbosse dagegen die weitere Zerstückelung des Spieltages. Schließlich wächst damit die Chance, mehr TV-Gelder zu erlösen. Zum Verdruss vieler Fans finden erstmals fünf Partien an einem Montag (20.30 Uhr) statt. Das späte Sonntagsspiel wird nicht mehr um 17.30 Uhr, sondern erst um 18 Uhr angepfiffen. Darüber hinaus beginnen fünf Sonntagspartien bereits um 13.30 Uhr. «Es nutzt nichts, wenn man puristisch argumentiert. Mir wäre es auch am allerliebsten, alle Spiele wären am Samstagnachmittag. Aber dann bekommen wir so wenig Fernsehgeld, dass wir international gar keine Chance haben» befand BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Der Kölner Sportchef Jörg Schmadtke sieht es ähnlich pragmatisch: «Einerseits schreien die Vereine danach, dass sie mehr Geld einnehmen wollen. Also versuchen Christian Seifert und die DFL einen Wettbewerb hinzubekommen. Und am Ende beschweren wir uns, dass wir unter der Dusche nass werden.»
(dpa)