Breslau – Simon Albrecht flitzt der Konkurrenz davon. 29 Gegner hängte der deutsche Inlineskater bei den World Games ab und schoss auf der Breslauer Rennbahn als erster durchs Ziel. Der 22-Jährige Europameister ist zum ersten Mal bei den Wettkämpfen der nichtolympischen Sportarten dabei.
Auf Anhieb gewann er zwei Mal Gold und dann noch eine Silbermedaille. «Es ist ein Supergefühl», sagt Albrecht der Deutschen Presse-Agentur. «Besser hätte es gar nicht laufen können.»
Der Athlet gehört zu den rund 3500 Spitzensportlern, die in Disziplinen wie Tauziehen, Trampolinturnen, Billard oder Bowling in Breslau (Wroclaw) gegeneinander antreten. Nach mehr als zehn Jahren finden die Meisterschaften der sogenannten Sportexoten wieder in Europa statt – letzter europäischer Gastgeber war Duisburg 2005.
Nun füllen Athleten mit Nationaltrikots aus aller Welt die Straßen der südwestpolnischen Stadt. Mit rund 180 Sportlern, dem drittgrößten Team, sind die Deutschen in Breslau vertreten. Die World Games seien zwar kleiner als Olympische Spiele, aber eigentlich gar nicht so anders, erklärt Albrecht das weniger bekannte Event mit den mehr als 30 ausgefallenen Disziplinen.
«Speedskating ist so ähnlich wie Eisschnelllauf», vergleicht er seinen Sport mit der Olympia-Disziplin. Allerdings seien auf dem Eis nur zwei Läufer – während Albrecht auf Inlinern 29 weitere Gegner hat. Dies sei dynamischer und spannender – vor allem zum Zuschauen, findet er. «Auch für Menschen, die die Sportart noch nie gesehen haben», sagt Albrecht, der von Olympia träumt. Ausrichter der World Games ist der Internationale Verband für Weltspiele (IWGA) unter der Schirmherrschaft des Internationalen Olympischen Komitees.
Dass Albrecht eines Tages tatsächlich bei Olympia starten kann, ist nicht ausgeschlossen. Mit Baseball/Softball, Karate, Sportklettern und Surfen haben es vier der Breslauer Disziplinen für 2020 erstmals ins Olympia-Programm von Tokio geschafft.
«Durch die Agenda 2020 können Sportarten schneller olympisch werden als in der Vergangenheit», erklärt Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport im Deutschen Olympischen Sportbund und Leiter des deutschen Teams in Polen. Deswegen seien die World Games für die olympische Zukunft wichtig. Teilnehmer hätten schon ein gewisses Leistungsniveau, sagt Schimmelpfennig. Die Konkurrenz bei den World Games ist Weltklasse, wie der deutsche Gruppenleiter betont.
Dem stimmt die bereits olympiaerfahrene Berliner Bogenschützin Lisa Unruh zu. In Rio sorgte sie letztes Jahr mit Silber im Bogenschießen für Furore. Bei den «World Games» tritt Unruh mit dem nicht-olympischen Feldbogen an – und holte bereits Gold. «Der Hammer», jubelt die 29-jährige Polizistin. «Ich wusste, dass es drin ist und nun hab ich tatsächlich gewonnen», freut sich Unruh, der die Stimmung bei den Breslauer Spielen besonders gut gefällt.
Die meisten Athleten wohnten in der Universität, wie sie erzählt. «Das sorgt für ein ähnliches Feeling wie bei den Olympischen Spielen.» Ein Athleten-Dorf wie bei Olympia, gibt es bei den World Games nämlich nicht. Die Anspannung vor den Wettkämpfen ist aber gleich. «Nur weil die Spiele nicht olympisch sind, heißt es nicht, dass die Konkurrenz schlecht ist», sagt Unruh. «Ganz im Gegenteil. Viele Schützen schießen beide Disziplinen, man kennt sich. Die Olympischen Spiele werden nur mehr gehypt», stellt sie fest.
Doch dank der World Games rücken auch deren Sportler in internationales Rampenlicht: Fast 150 000 Tickets wurden den Organisatoren zufolge an Fans aus aller Welt verkauft, zudem werden die Spiele rund um die Uhr live übertragen. Besonders freut die Gastgeber, dass selbst andauernder Regen und Sturm die Fans nicht abschrecken. Mit Schirmen gerüstet füllen sie die Reihen – obwohl Außenwettkämpfe wegen Starkregens immer wieder verlegt werden mussten und Böen sogar Riesenleinwände zum Umstürzen brachten, wird das Wettkampffieber der Stadt, in der es abends immer wieder zu Anti-Regierungsprotesten kommt, nicht getrübt.
Schimmelpfennig ist mit den Leistungen des deutschen Teams mehr als zufrieden. «Bislang läuft es für uns sehr, sehr gut», sagt er. 29 Medaillen (Stand Donnerstag) konnten die Athleten schon sammeln, nur Russland und Italien liegen weiter vorn. Gold sicherten sich die Deutschen neben Speedskating und Feldbogen unter anderem auch bei Faustball und Akrobatik. Damit könnten sie den letzten World-Games-Erfolg bis zum Ende der Spiele am Sonntag (30. Juli) noch übertreffen. Im kolumbianischen Cali schafften die Sportler es 30 Mal aufs Podest.
«Doch der Medaillenspiegel ist nicht das alles Entscheidende», betont Schimmelpfennig. Vor allem ginge es darum Vielfalt und Topleistungen auf internationaler Bühne zu zeigen, sagt er und stellt fest: «Die Mannschaft präsentiert sich richtig stark.» Dem stimmt auch Unruh zu: «Ich bin stolz, Teil des deutschen Teams zu sein.»
(dpa)