Budapest – Ein Jahr nach dem Olympia-Debakel von Rio wollen die deutschen Beckenschwimmer bei der WM endlich wieder für positive Nachrichten sorgen.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Chefbundestrainer Henning Lambertz über die Bedeutung der Weltmeisterschaften, Finalhoffnungen und harte Qualifikationsnormen.
Herr Lambertz, welche Bedeutung hat eine WM ein Jahr nach Olympia?
Henning Lambertz: Wenn man sich für eine Weltmeisterschaft qualifiziert hat, hat diese immer einen sehr hohen Stellenwert. Letztendlich tritt man gegen die gleichen Athleten an wie bei Olympischen Spielen. Das heißt, wenn man bei der WM vor einem Konkurrenten landet, weiß man, dass man das in zwei oder drei Jahren auch wieder abrufen kann. Das schafft Selbstvertrauen. Auf der anderen Seite muss man festhalten, dass das Event, das nach den Olympischen Spielen kommt, nicht immer von allen voll angesteuert wird. Nach den Spielen macht der eine oder andere Athlet eine längere Pause oder erschließt nötige Reserven, die ihn zukünftig weiter vorwärts bringen.
Weiter nach vorne soll es auch bei den deutschen Schwimmern gehen – schließlich gab es zuletzt zweimal bei Olympischen Spielen kein Edelmetal für die Beckenschwimmer. Wo könnte es bei der WM Medaillen geben?
Lambertz: Ich werde keine Prognosen mehr aufstellen. Damit kann man nur verlieren. Natürlich hofft man bei denen, die die Weltranglisten momentan anführen – Heintz und Hentke – dass die den nötigen Step machen können, um eine Medaille zu gewinnen. Aber das kann niemand garantieren. Ein Weltranglistenplatz, der vielleicht auch daraus resultiert, dass andere schon im März oder April ihre Qualifikation hatten und wir erst im Juni, ist im Prinzip Schall und Rauch. Wir haben zwei, drei ganz gute Eisen im Feuer und hoffen, dass bei ihnen alles klappt. Aber Medaillenerwartungen werde ich nicht mehr herausgeben.
Für Ihre Athleten ging es bei den deutschen Meisterschaften Mitte Juni um die WM-Qualifikation. Nur sieben Athleten haben die in diesem Jahr besonders schweren Normen geschafft – drei die harten Normen in der offenen Klasse und vier die leichteren für die jüngeren Schwimmer. Hinzu kamen einige Ausnahmen. Insgesamt haben Sie mit 14 Schwimmern einen sehr kleinen Kader nominiert. Ist das ein Nachteil oder kann es auch ein Vorteil sein?
Lambertz: Ich sehe das auf jeden Fall erstmal als eine Chance und einen Pluspunkt und nicht negativ. Ein kleines Team ist leichter und effizienter zu führen, als ein großes. Bislang hatten wir oft 30 Athleten dabei. Die Anzahl der Betreuer ist aber in beiden Fällen gleich gewesen. Wir haben jetzt drei Physiotherapeuten für 14 Leute, wir hatten früher drei Physiotherapeuten für 30 Athleten. Das heißt es kann deutlich effektiver mit den Einzelnen gearbeitet werden. Ich möchte das Team nicht stetig verschlanken, aktuell sehe ich es aber eher als Chance und auf keinen Fall als Nachteil.
Ziel der harten Normen war unter anderem, den Anteil der Schwimmer, die es bei der WM ins Finale schaffen, zu erhöhen. Wie viele Finalplätze sind möglich?
Lambertz: Finalplätze erwarte ich bei den Schwimmern, die über die harten Normen gegangen sind. Also Lisa Graf, Philip Heintz und Franziska Hentke. Diese Athleten sind im Moment Weltranglisten-Führende oder unter den besten fünf, sechs der Welt. Da schielen wir natürlich aufs Finale. Auch bei der Einzelausnahme, die wir gemacht haben: Marco Koch. Er zählt zu den besten Brustschwimmern der Welt und ist amtierender Weltmeister. Wir wären schon ein wenig enttäuscht, wenn er das Finale nicht erreichen würde. Zu diesen Vieren kommen die drei nominierten Staffeln, denn eine Staffel nominieren wir immer nur, wenn wir den Glauben haben, dass sie ins Finale kommen kann.
Was erwarten Sie von den jüngeren Schwimmern?
Lambertz: Die vier U23-Normunterbieter sind vor allem im Team, um Erfahrung zu sammeln. Und das würde ich gerne von Anfang an bewusst trennen. Von einer Celine Rieder erwarte ich nicht, dass sie in ein Finale schwimmt. Sie soll die Atmosphäre aufnehmen, einen engagierten Start bei einer Weltmeisterschaft machen und alles kennenlernen, damit sie über die nächsten zwei Events 2018 und 2019 eine größtmögliche Sicherheit bis 2020 bekommt. Das gilt auch für Poul Zellmann, Damian Wierling und Florian Wellbrock.
(dpa)