Windischgarsten/Österreich – Der jüngste Bundesliga-Trainer ist Julian Nagelsmann nach wie vor – von diesem Sonntag an aber wenigstens den 20ern entwachsen. Der Chefcoach von 1899 Hoffenheim kann mit nur 30 Jahren auf eine fulminante Karriere im Profifußball verweisen.
«Die Drei klingt schon sehr erwachsen», sagte Nagelsmann mit einem Lächeln. «Es ist aber nicht so, dass ich drei Tage durchfeiere oder in tiefe Depressionen verfalle. Man ist halt irgendwann geboren, und das Datum kommt jedes Jahr wieder.»
Seine Qualitäten im fußballerischen Bereich haben sich längst herum gesprochen. Außergewöhnlich ist auch sein Unterhaltungswert: Mr. Frei Schnauze ist immer für einen Spruch oder eine klare Ansage gut. Pressekonferenzen beginnt Nagelsmann oft etwas zurückhaltend, findet dann aber meist Spaß an verbalen Steilpässen und Kontern.
«Meine Schwiegermutter sagt immer, ich spreche zu schnell. Meine Mutter sagt, ich soll anders Kaugummi kauen und spreche zu schnell», erklärte er kürzlich und ergänzte auf seine flapsige Art: «Die hören halt beide vielleicht schon schlecht.» Richtig gut zuhören müssen vor allen seine Spieler. Auf dem Trainingsplatz – wie dieser Tage in der Vorbereitung in Windischgarsten/Österreich – deckt Nagelsmann seine Profis lautstark mit anspruchsvollen Anweisungen ein. Sein Kommando «Schneller, schneller!» gilt auch für die Kopfarbeit.
Dass der Shootingstar der Trainerszene die Hoffenheimer innerhalb von knapp eineinhalb Jahren vom Abstiegskandidaten in der Bundesliga zum Champions-League-Qualifikanten formte, hat Nagelsmann Elegien und Auszeichnungen eingebracht: «Trainer des Jahres 2016» (Deutscher Fußball-Bund), «Trainer der Saison» (Spielerwahl des Fachblatts «Kicker»).
Eher ungewöhnlich ist ein Lob von einem Profi, der unter Nagelsmann nicht nur sein Kapitänsamt, sondern auch seinen Stammplatz verloren hat: «Er ist eine Granate als Trainer, definitiv», sagte Pirmin Schwegler, der zu Hannover 96 abgewandert ist. Bei Übungseinheiten in Oberösterreich schaute übrigens auch ein gewisser Markus Weinzierl (42) zu: Lernen von Nagelsmann heißt es für den bei Schalke entlassene Trainer. Hansi Flick, langjähriger Assistent von Bundestrainer Joachim Löw und jetzt Geschäftsführer Sport bei der TSG, erlebt erstmals die Alltagsarbeit von Nagelsmann. Er sei «überrascht von der Intensität, die die Mannschaft zeigt. Julian hat eine klare Ansprache und Philosophie».
Bis 2021 hat Nagelsmann seinen Vertrag in Hoffenheim verlängert. Was nicht bedeuten muss, dass er über die Saison 2017/18 hinaus bleibt. Die Kraichgauer haben mit dieser Unterschrift lediglich demonstriert: Wer ihn haben will, der muss ihn erstmal bei uns rauskaufen. Eine Ausstiegsklausel ist sicher fixiert, auch wenn so etwas nicht öffentlich gemacht wird. Der Chefcoach selbst sagte einerseits: «Das bedeutet für die Spieler auf jeden Fall Sicherheit, dass ich nächstes Jahr und noch ein paar Jahre in Hoffenheim bleibe.» Andererseits erklärte er am Freitag: «Ich kann trotzdem nicht sagen, bis zu welchem Datum ich bleibe, weil ich es einfach noch nicht weiß.»
Mit seiner Popularität geht Nagelsmann entspannt um, auch wenn sie manchmal «gewöhnungsbedürftig» sei. «Darum sage ich mir oft, bevor ich aus dem Haus gehe: freundlich sein», erklärte er kürzlich im Stadionmagazin seines Clubs. «Weil sonst einer sein Handy nimmt, das Bild postet und drunter schreibt: Arroganter Scheißtrainer!»
(dpa)