Bei Aufsteiger Hannover 96 droht neuer Fan-Zwist

Hannover – Fast schon trotzig wischt der mächtige und bei vielen Fans von Hannover 96 so unbeliebte Clubchef Martin Kind die Vorwürfe der eigenen Anhänger beiseite.

Stimmungsboykott? Neue Eskalation im Streit mit den Fans? Ärger statt Euphorie nach dem Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga? Davon will der 73 Jahre alte Unternehmer partout nichts wissen. «Wir glauben fest, dass die Mehrheit der Fans sich auf den Erstligastart freut», sagte Kind der Deutschen Presse-Agentur. «Ich befürchte grundsätzlich nie etwas.»

Die nackten Zahlen geben Kind recht. «Der Dauerkartenverkauf läuft gut», berichtete der 96-Präsident und Mehrfach-Gesellschafter. Das stimmt. Fünf Wochen vor dem Saisonstart haben die Niedersachsen rund 22 000 Dauerkarten abgesetzt – so viele wie in der bislang letzten Bundesligasaison 2015/2016 insgesamt. Doch die Stimmung an der Basis ist schlecht, und sie droht noch schlechter zu werden.

In hannoverschen Medien wurde bereits über einen Stimmungsboykott der Fans wie in der Saison 2014/2015 spekuliert. Damals blieben viele Ultras wegen des Dauerstreits mit Kind den Spielen des Bundesligateams fern. Dies führte zu deutlich gedämpfter Atmosphäre im Stadion und Verdruss auf allen Seiten. «Ein Stimmungsboykott ist immer ein sehr drastisches Druckmittel. Wir wollen andere Mittel und Wege finden», sagte nun ein Sprecher der Fan-Interessengemeinschaft «Pro Verein 1896» der dpa. Aus dem Fanbeirat hieß es allerdings zum selben Thema auch: «Komplett ausgeschlossen ist das nicht.»

Bis zum Saisonstart wollen die Dachverbände mit den Fans nun über das weitere Vorgehen beraten. Hintergrund des neuen Höhepunktes in der Dauerfehde sind abgelehnte Mitgliedsanträge durch den Verein. «Wir bestätigen, dass wir im Interesse des Vereins Hannover 96 die Entscheidung getroffen haben, 119 Mitgliedsanträge abzulehnen», hatte Kind in der Vorwoche gesagt. «Pro Verein» wirft 96 vor, «weitaus mehr Anträge» abgelehnt zu haben. Tatsächlich sind es wohl einige wenige mehr im einstelligen Bereich.

So oder so ist der Vorgang alles andere als alltäglich. Dem Club entgingen «Mitgliedsbeiträge von jährlich ca. 11 500 Euro», kritisierte «Pro Verein». Am Mittwoch verstrich ein Ultimatum des gewählten Fanbeirates des Clubs an Kind, sich zu dem Vorgang zu äußern. Offiziell gab es kein Statement. Dem Club ist wohl daran gelegen, ohne Öffentlichkeit in den Dialog mit den Fans zu treten.

Dies dürfte schwierig werden, denn Kind ist beim Streitthema 50+1 nicht kompromissbereit. Die nächste Eskalation ist programmiert. Im Club wächst die Opposition gegen Kinds Plan, noch in diesem Jahr die Mehrheit bei der entscheidenden Gesellschaft des Clubs zu übernehmen. In diesem Zusammenhang dürften auch die abgelehnten Mitgliedsanträge stehen, die gebündelt über «Pro Verein» beim Club eingegangen sind. Offensichtlich soll die Opposition im Club nicht noch größer werden.

Stattdessen soll der Prozess der Mehrheitsübernahme «besser moderiert» werden. Kind selbst hat dabei Defizite ausgemacht. Sein Handeln und seine Äußerungen erinnern allerdings an die «Basta»-Politik des Altkanzlers und jetzigen 96-Aufsichtsratschefs Gerhard Schröder. Kind agiert so wie in den vergangenen 20 Jahren. Kühl und pragmatisch, aber eben auch erfolgreich. 1997, als der heute 73-Jährige zum Präsidenten gewählt worden war, dümpelte der Verein in der Drittklassigkeit herum. Es gibt nicht wenige, die behaupten, dass es 96 in der heutigen Form ohne Kind gar nicht mehr geben würde.

Fast zwangsläufig entstand dabei aber nie eine enge Bindung zwischen dem asketischen Kopf-Menschen Kind und den emotionalen Bauch-Menschen in der Kurve. Viel Verständnis für die Bedürfnisse und Sorgen der Fans hat Kind scheinbar nie gehabt und dürfte er auch künftig nicht haben. «Das ziehen wird jetzt durch», sagte Kind nun zum wiederholten Mal. «Wir haben eine Prioritätenliste, die arbeiten wir ab.» Auf ein Entgegenkommen im Dialog mit den Fans lässt das kaum schließen.


(dpa)

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