Erfurt – Der Deutsche Leichtathletik-Verband will bei den Weltmeisterschaften in London Wiedergutmachung für die magere Medaillenausbeute bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro betreiben.
«Wir fahren mit vorsichtigem Optimismus zur WM und haben das Potenzial, erfolgreicher als bei den Rio-Spielen zu sein», sagte DLV-Präsident Clemens Prokop nach den deutschen Meisterschaften in Erfurt. «Schon der Sieg bei der Team-EM in Lille hat gezeigt, dass wir in vielen Disziplinen Spitzenathleten haben.» Am Zuckerhut holten nur drei DLV-Asse Edelmetall – darunter Christoph Harting.
Der Diskus-Olympiasieger von Rio scheiterte diesmal an der geforderten WM-Norm und wird beim Medaillenkampf im August in London fehlen. «Das Ergebnis ist in der Tat bedauerlich, auch, weil das Duell der Harting-Brüder an sich ein Highlight der WM gewesen wäre», meinte Prokop. Nun hofft der DLV auf einen Coup von Robert Harting, der in Erfurt seinen zehnten Titel gewann. «Robert hat sich oft als Kämpfer erwiesen. Deshalb traue ich ihm bei der WM alles zu», sagte Prokop über den dreimaligen Weltmeister. Christoph Harting nahm sein WM-Aus unerwartet gelassen hin: «Es hat eben nicht gereicht.»
Eine sichere Bank für Gold, Silber oder Bronze an der Themse dürften Olympiasieger Thomas Röhler, der mit 93,90 Metern die Nummer eins in der Welt ist, und die von ihm angeführten deutschen Speerwerfer sein. «Das sind Traumbedingungen für die deutsche Leichtathletik», sagte Prokop nach den 117. Titelkämpfen mit 25 900 Zuschauern an den beiden Tagen im schmucken Steigerwaldstadion.
Röhler war zwar der Coverboy auf dem DM-Plakat, bei seinem Heimspiel musste er sich aber geschlagen geben. Der Thüringer verpasste den erhofften sechsten Meistertitel in Serie mit 85,24 Metern klar. Der Offenburger Johannes Vetter gewann mit starken 89,35 Metern und fährt mit dem Weltjahresbesten Röhler im August zur WM nach London. «Mega-geil!», sagte Vetter, und der zweitplatzierte Röhler gratulierte seinem Kumpel: «Ich glaube, wenn man Sportler ist und ein Freund, dann kann man nur sagen: Glückwunsch!»
Zu den Medaillen-Anwärtern in London zählen auch Dreisprung-Europameister Max Heß, Weitspringerin Claudia Salman-Rath, Hürdensprint-Shootingstar Pamela Dutkiewicz sowie Carolin Schäfer und Rico Freimuth im Sieben- und Zehnkampf. Auch die Frauen-Sprintstaffel um Gina Lückenkemper, die in Erfurt in ganz starken 11,01 Sekunden ihren ersten 100-Meter-Titel gewann, hat durchaus Chancen.
«Ich möchte einfach eine von den Frauen sein, die unter 11 Sekunden gelaufen sind. Und ich bin auf einem guten Weg dahin», sagte Lückenkemper. Diese Schallmauer hatte als bis dato letzte deutsche Sprinterin Katrin Krabbe vor 26 Jahren geknackt. Ihr Männer-Pendant ist Julian Reus, der die WM-Norm beim Sieg über 100 Meter mit 10,10 Sekunden unterbot – und irgendwann die 9 vor dem Komma haben will.
Das Sprint-Duo flitzt zwar in Europa schon vorne mit, bei einer WM dürfte aber schon das Halbfinale ein ambitioniertes Ziel sein. Auch für Hindernis-Europameisterin Gesa Felicitas Krause, die in Erfurt mit zwei Titeln zur überragenden Athletin avancierte, oder Mittelstrecken-Aufsteigerin Konstanze Klosterhalfen wird die afrikanische Konkurrenz in London (noch) zu stark sein. Die 20-Jährige aus Leverkusen sorgte als 1500-Meter-Siegerin für das absolute Highlight: Ihre 3:59,58 Minuten sind die viertbeste jemals von einer deutschen Mittelstreckenläuferin erzielte Zeit.
Sorgenkinder gibt es im WM-Aufgebot, das laut DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska bis zu 70 Athleten groß sein wird, aber auch. Der frühere Kugelstoß-Weltmeister David Storl gewann seinen siebten Titel mit mäßigen 20,98 Metern, auch Speerwurf-Weltmeisterin Katharina Molitor ist weit von ihrer goldenen Form von 2015 entfernt.
(dpa)