Steffi Jones vor EM: «Irgendwann muss es fluppen»

Heidelberg – Fußball-Bundestrainerin Steffi Jones ist seit zehn Monaten als Bundestrainerin für die Nationalmannschaft der Frauen verantwortlich. Nach der Ära von Silvia Neid, die das Zepter nach Olympia-Gold 2016 weitergab, werden von der 44 Jahre alten Jones ähnliche Erfolge erwartet.

Bei der Europameisterschaft in den Niederlanden vom 16. Juli bis zum 6. August soll der siebte EM-Titel nacheinander eingefahren werden. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußert sich Jones zum Stand der Vorbereitung, den Schwierigkeiten, den Chancen, dem Erwartungsdruck, Vertrauen und Verpflichtungen. Und den Mann in ihrem Trainerteam…

Beim 3:1 im letzten Test am Dienstag gegen Brasilien zeigte Ihre Elf schon gute Form. Wie beurteilen Sie den Stand der Vorbereitung nach drei EM-Lehrgängen?

Steffi Jones: Das Fazit ist positiv. Wir sind sehr zufrieden. Schon zum ersten Lehrgang kamen alle Spielerinnen total fit. Wir konnten sofort einsteigen und haben in den letzten drei Wochen hart gearbeitet. Zwischendurch hatten wir zwei Tests gegen männliche U16-Auswahlteams, die uns auch wichtige Erkenntnisse gebracht haben. Allein der Ausfall von Alexandra Popp war ein kleiner Rückschlag.

Wo liegen bis zum ersten Gruppenspiel am 17. Juli gegen Schweden noch die Trainingsschwerpunkte?

Jones: Erstmal sollen die Spielerinnen vier Tage ausspannen und die Köpfe ein wenig freibekommen, bevor wir am Mittwoch ins EM-Quartier reisen. Gegen Brasilien hat man gesehen, dass wir uns gegen eine tief gestaffelte Mannschaft teilweise noch schwer tun. Manchmal haben wir sogar zu viel kombiniert. Wenn wir gradlinig spielen, erzielen wir auch Tore. Das ist sicher ein Aspekt, dass wir im letzten Drittel Lösungen finden und zum Abschluss kommen. Die Torquote kann besser werden, und Standards haben wir noch gar nicht trainiert.

Ihre Vorgängerinnen Tina Theune und Silvia Neid waren sehr erfolgreich. Sie wirken sehr locker und zuversichtlich. Spüren Sie gar keinen Druck, es genauso gut machen zu müssen?

Jones: Über Druck denke ich nicht nach. So bin ich nicht. Wenn ich anderen nacheifere, funktioniert es nicht. Ich muss mir selbst treu und authentisch bleiben. Das macht mich dann auch stark. Meine Ausgangslage ist: Eigentlich kommt diese EM zu früh! Einige Routiniers wie Melanie Behringer, Annike Krahn oder Saskia Bartusiak haben nach Olympia aufgehört. Es gab schon einen Umbruch, weil wir jetzt viele junge Spielerinnen im Team haben.

Es gibt auch Kritiker, die sagen, Ihnen mangele es an Qualifikation und Erfahrung für das Amt. Sie haben jetzt lange als OK-Chefin der WM 2011 und dann als DFB-Direktorin gearbeitet. War es eine große Umstellung?

Jones: Eigentlich nicht. Ich wollte es ja so und habe es noch keinen Tag bereut. Und das wird auch nicht kommen. Ich habe vor vielen Jahren meine Fußball-Lehrer-Lizenz gemacht. Erfahrung kommt mit der Zeit, und sie allein garantiert allein auch keinen Erfolg. Schauen Sie sich Trainer wie zum Beispiel Julian Nagelsmann in Hoffenheim oder auch andere junge Trainer an. Und Entscheidungen musste ich auch als Direktorin treffen. Davor habe ich mich nie gescheut.

Und der DFB hält zu Ihnen, auch wenn es schief gehen sollte?

Jones: Der DFB hat mir das Vertrauen geschenkt und mich zur Bundestrainerin gemacht. Was zählt ist, dass ich Rückendeckung habe. Die spüre ich. Aber unser Prozess ist natürlich nicht abgeschlossen, und wir sind spielerisch noch nicht da, wo wir einmal hinwollen.

Bauen Sie einem eventuellen Misserfolg vor?

Jones: Überhaupt nicht. Ich bin von unserem Kader total überzeugt. Wir haben sehr hohe Qualität in der Mannschaft, alle Spielerinnen verstehen sich prima. Der Teamgeist ist super. Und ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Mannschaft Europameister werden können. Aber andere Nationen haben aufgeholt. Sie können beispielsweise alle gut verteidigen. Da müssen wir Lösungen finden.

Sie gelten als sehr kommunikativ. Wie wichtig ist es, alle Spielerinnen, das ganze Trainerteam und das Team dahinter mitzunehmen?

Jones: Vor allem am Anfang bin ich natürlich auch auf die Hilfe von vielen Seiten angewiesen. Deswegen frage ich die Co-Trainer oder die Spielerinnen auch: Wie habt ihr die Trainingswoche empfunden? Hättet ihr euch mehr Gespräche gewünscht? Wart ihr mit den Inhalten zufrieden? Letztlich müssen wir herausfinden: Was ist ein guter Weg? Aber zu viel Kommunikation ist auch nicht gut. Am Ende des Tages bin ich verantwortlich und muss Entscheidungen treffen. Und irgendwann muss es ja auch fluppen.

Früher bestand das DFB-Trainerteam nur aus Frauen. Sie wollten unbedingt einen Mann dabei haben. Warum?

Jones: Ich fand es wichtig, dass die Mädchen und Frauen auch einen Mann als Ansprechpartner haben. Markus Högner bringt neben Fachwissen und viel Erfahrung auch großen Humor mit. Er kann wahnsinnig gut Stimmung machen, die Spielerinnen begeistern und haut schon mal einen Spruch raus. Er ist ein Powertyp. Ich kann die Spielerinnen noch mal empathischer und auf andere Weise packen. Wir harmonieren sehr gut.

Zum Abschluss was ganz anderes: Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus darf nun in der 1. Bundesliga der Männer pfeifen. Wann ist die Zeit reif für die erste Trainerin im Männer-Profigeschäft?

Jones: Wann immer ein Verein den Mut hat, eine Frau zu nehmen! Aber es bedarf schon einer starken Frau, die auch mit Männern umgehen kann. Das ist schon etwas anderes. Männer haben eben auch ihre Eigenarten haben, so wie wir.

ZUR PERSON: Stephanie Ann «Steffi» Jones wurde im Frankfurter Stadtteil Bonames als Tochter einer Deutschen und eines US-Soldaden geboren, der die Familie früh verließ und in die USA zurückkehrte. Von 1991 bis 2007 spielte Jones in der Bundesliga und absolvierte 111 Länderspiele (1993 bis 2007). Sie sammelte zahlreiche Titel mit Clubmannschaften, wurde mit der DFB-Elf unter anderem dreimal Europameisterin und 2003 Weltmeisterin.

Nach Ende ihrer aktiven Laufbahn war Jones von 2008 bis 2011 OK-Präsidentin der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland. Danach stieg sie im DFB zur Direktorin für Frauenfußball auf. 2015 wurde die jetzt 44 Jahre alte Fußball-Lehrerin Assistentin von Bundestrainerin Silvia Neid, deren Amt sie nach Olympischen Spielen im vergangenen Jahr übernahm. Jones ist seit 2012 mit der Bankerin Nicole Jones liiert, mit der sie im Juni 2014 eine Lebenspartnerschaft eintragen ließ und in Gelsenkirchen wohnt.


(dpa)

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