Sotschi – Manchmal kommt sich selbst der junge Emre Can im Teamhotel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ziemlich alt vor. «Dann gucke ich mich um und sehe Spieler wie Benny Henrichs, die noch mal drei Jahre jünger sind als ich», erzählte er in Sotschi.
Zur Erinnerung: Emre Can, Fußballprofi des FC Liverpool, ist erst 23 Jahre alt und hat noch nicht mehr als 13 Länderspiele bestritten.
Zwei Nationalmannschafts-Generationen früher hätte er in diesem Alter noch die Bälle auf den Trainingsplatz schleppen müssen und die Trinkflaschen gleich dazu. Beim Confederations Cup in Russland aber ist Can schon einer der erfahrenen Spieler in jenem Perspektivteam, das am Donnerstag (20.00 Uhr) gegen Mexiko um den Einzug ins Finale spielt. Can hätte sogar noch bei der U21-EM mitspielen dürfen, bei der die DFB-Junioren gerade das Endspiel gegen Spanien erreicht haben. Stichtag war der 1. Januar 1994, Can ist elf Tage später geboren.
Wahrscheinlich wird er auch gegen Mexiko neben Sebastian Rudy im zentralen defensiven Mittelfeld spielen. Das war schon gegen Chile so und beim 3:1 gegen Kamerun gleich noch mal. Seinen gewachsenen Stellenwert in der Nationalmannschaft erkennt man auch daran, dass Can jetzt auf seiner Wunschposition im Zentrum spielen darf und kein Aushilfs-Außenverteidiger mehr ist wie noch zu Beginn seiner Länderspiel-Karriere. Seine Kampfkraft, seine Widerstandsfähigkeit und seine Führungsqualitäten kommen dort am besten zum Tragen.
Nach dem 1:1 gegen Chile schrieb ihm die «Süddeutsche Zeitung» die «Power einer Tataren-Horde» zu. Auch sein Vereinstrainer Jürgen Klopp meint: «Er ist ein Topspieler, das kann man nicht anders sagen.»
Emre Can ist ein sehr ehrgeiziger und zielstrebiger Typ. Das verrät sein Blick auf den von vielen noch immer belächelten Confed Cup genauso wie sein bisheriger Karriereweg. Schon mit zwölf Jahren wechselt er aus der Jugendabteilung von Eintracht Frankfurt zum FC Bayern. Als er in München nicht weiterkommt, lässt er sich zu Bayer Leverkusen transferieren. Nach nur einem Jahr nutzt er gleich die erste Chance zu einem Karrieresprung ins Ausland. Seit 2014 spielt er für den FC Liverpool.
«Mir hat die Erfahrung in der Premier League sehr viel geholfen», erzählte Can in Sotschi. «Ich habe in diesen drei Jahren sehr viel gelernt. Ich habe mehr Erfahrung auf dem Platz, bin härter in den Zweikämpfen geworden, der Fußball ist dort viel schneller.»
Mit der gleichen Klarheit begreift er auch den Confed Cup als Chance. «Ich muss ganz ehrlich sagen: Meine besten Spiele habe ich bislang nie für die Nationalmannschaft gemacht», räumte er ein. «Deshalb sehe ich dieses Turnier als Möglichkeit, mehr Spielzeit zu kriegen und mich auf großer Bühne zu beweisen.»
In keinem anderen Mannschaftsteil ist das Gedränge im deutschen Team mittlerweile so groß wie im zentralen defensiven Mittelfeld. Die Weltmeister Toni Kroos und Sami Khedira gelten dort immer noch als gesetzt. Doch als Konkurrenten empfehlen sich allein bei diesem Turnier in Russland schon Sebastian Rudy, Leon Goretzka und eben Can. Dazu zieht es auch Joshua Kimmich langfristig von der rechten Seite ins Zentrum des Spiels zurück. Und der hochtalentierte, aber zurzeit verletzte Julian Weigl von Borussia Dortmund ist ja auch noch da.
Emre Can hat eigentlich schon genug damit zu tun, um seinen eigenen Platz in diesem Team zu kämpfen. Doch das allein reicht ihm nicht aus. Seiner Rolle als Älterer unter den Jungen ist er sich bewusst. «Wenn einer Hilfe braucht, werde ich demjenigen helfen», sagte Can in Sotschi. «Ich will die Mannschaft mitreißen, dafür gebe ich vieles.»
(dpa)