Düsseldorf – Auf der Liste der eingeladenen VIPs stehen die Namen Fürst Albert und Rudolf Scharping. Der des einzigen deutschen Tour-de-France-Siegers Jan Ullrich fehlt.
Die große Fete zum Grand Départ der Frankreich-Rundfahrt in Düsseldorf soll am Wochenende ohne den Auslöser des Radsport-Booms in Deutschland vor 20 Jahren stattfinden. «Jan ist am Freitag nach Bocholt zur 20-Jahr-Feier seines Toursieges 1997 eingeladen – dort wird er ein Charity-Rennen fahren», erklärte Ullrichs Freund und Ex-Profi Andreas Klöden der Deutschen Presse-Agentur. «Ich bin auch nicht eingeladen, werde aber geschäftlich in Düsseldorf sein», erklärte der Tourzweite von 2004 und 2006.
Ullrich und Klöden haben ein Problem: Sie gelten als Vertreter des «alten Radsports» mit starken Verstrickungen in Doping-Affären. Ullrich wurde 2006 in Verbindung zum Dopingarzt Eufemiano Fuentes gebracht. Seine Verfehlungen wurden ihm nach langen Recherchen nachgewiesen, der Internationale Sportgerichtshof CAS sperrte ihn 2012 für zwei Jahre. Bisher konnte er sich nur zu einem halbherzigen Geständnis durchringen. Bei «Rund um Köln» sollte er Anfang des Monats als Sportlicher Leiter resozialisiert werden. Das Vorhaben platzte aber nach unbedachten Äußerungen des Veranstalters zum Thema Doping – und am Einspruch der ARD.
Der Tour-Veranstalter ASO und die Düsseldorfer wollen Ullrich nicht. Sie haben aber keine Schwierigkeiten damit, die Team-Präsentation am Donnerstag auf dem Burgplatz von den Altvorderen Marcel Wüst (neuerdings auch im Verband für Kommunikation zuständig) und Jens Voigt moderieren zu lassen. Der ehemalige Ausreißerkönig Voigt war einst von Kronzeuge Jörg Jaksche belastet worden, positiv getestet wurde er aber nie. Auch nicht vor vier Jahren bei Nachuntersuchungen des französischen Senats von Urinproben der Skandal-Tour 1998. Während die Kontrollen bei Ullrich und Erik Zabel positiv ausfielen, reichte bei Voigt die vorhandene Urinmenge schlicht nicht mehr für eine Auswertung der Probe.
Die aktiven deutschen Radprofis – von jung bis alt – halten nicht viel von der Demission Ullrichs in Düsseldorf, wo sich der «neue» deutsche Radsport feiern will. Die differenzierteste Meinung dazu vertritt Marcel Kittel. «In der Öffentlichkeit sind da noch enttäuschte Gefühle. Als Mensch tut mir Ullrich leid, weiter ausgeschlossen zu sein. Aber er hätte mit seiner Vergangenheit anders umgehen sollen. Viele nehmen ihm übel, dass er sich nie klar zum Thema Doping positioniert hat», sagte der Topsprinter und rät Ullrich: «Er sollte mit sich ins Reine kommen, jeder hat eine zweite Chance verdient.»
Tour-Debütant Nikias Arndt findet: «20 Jahre sind genug. Der Radsport hat sich geändert. Es wäre Zeit, ihm eine zweite Chance einzuräumen.» Sein Sunweb-Teamkollege Simon Geschke findet die Ausladung «nicht gut» und meinte: «Ich weiß gar nicht, ob das große Geständnis noch nötig wäre. Jeder, der ein bisschen vom Radsport versteht, weiß doch, was damals war.»
Der neue deutsche Straßenmeister Marcus Burghardt, der mit Ullrich bei T-Mobile noch 2005 und 2006 zusammenfuhr, stärkt seinem in Ungnade gefallenen Ex-Kapitän den Rücken. «Er hat genug gebüßt. Andere, die auch gestanden haben, sind längst wieder dabei», sagte der Bora-hansgrohe-Profi, der nach eigenem Bekunden «die schlechten und die guten Zeiten des deutschen Radsports» kennt.
Ullrichs Sieg von 1997 hat in den Tour-Annalen – im Gegensatz zu denen Lance Armstrongs oder Floyd Landis‘ – genau wie die sechs Grünen Trikots des geständigen Erik Zabel weiter Bestand. Auch Bjarne Riis taucht als Toursieger 1996 weiter in den offiziellen Listen auf, obgleich der Däne schon vor langer Zeit den Einsatz von Dopingmitteln bei seinem Triumph zugegeben hat.
(dpa)