St. Petersburg/Kasan – Im Kreise seiner lachenden Kollegen postierte sich Cristiano Ronaldo mit finsterer Miene als Boxer.
Wie auf dem Jubelbild aus der Umkleidekabine nach dem Halbfinal-Einzug Portugals beim Confederations Cup hatte der Superstar auch bei der öffentlichen Ehrung als bester Spieler des 4:0 gegen Neuseeland einen merkwürdig ernsten Eindruck gemacht. «Es war ein gutes Spiel.» «Die Mannschaft hat mir geholfen.» «Ich bin froh, dass wir im Halbfinale sind.» Kurz waren seine Statements. Nachfragen waren wieder einmal nicht erlaubt. Nach rund 90 Sekunden war Ronaldo wieder verschwunden.
Für das kommende Halbfinale am Mittwoch in Kasan rechnete der 32-Jährige mal flugs mit Deutschland oder Chile als Kontrahent – schon vor deren letzten Gruppenspielen gegen Kamerun und Australien. «Wir wissen, dass es ein schwieriger Gegner wird. Es sind zwei großartige Mannschaften. Wir haben Respekt vor Deutschland und Chile, wir müssen uns konzentrieren», sagte Ronaldo. Auch das wirkte lustlos einstudiert.
Der WM-Testlauf in Russland könnte sein Turnier sein. Wären da nicht die Steuerermittlungen, die ihn bestimmt belasten und auf jeden Fall verfolgen. Aber: Die russischen Fans haben ihr Urteil über den Weltfußballer unabhängig vom Ungemach in Spanien gefällt. Sie lieben und verehren ihn. 56 290 Zuschauer sahen das Spiel in der Krestowski Arena von St. Petersburg. Nicht einmal die russische Sbornaja konnte so viele Besucher zu ihrem eigenen Spiel gegen Neuseeland in das gleiche Stadion locken.
Die Mehrheit war wegen Ronaldo gekommen, das wurde schnell klar. Jubel brandete auf, als sein Bild auf der Anzeigetafel beim Abspielen der Hymnen erklang. Ovationen gab es bei der Auswechslung nach 66 Minuten. Dazwischen hatte Ronaldo per Elfmeter das Führungstor erzielt und war mit mehreren Kopfbällen an Neuseelands Torwart Stefan Marinovic gescheitert. Das reichte, um im Fan-Voting wieder als bester Akteur gekürt zu werden.
Die russische Sehnsucht nach einer Fußball-Ikone, wie Ronaldo sie verkörpert, ist riesig – und wird nach dem Ausscheiden des Heimteams nicht geringer werden. In Portugal wurde der Einzug ins Semifinale beim Testlauf eher als selbstverständlich hingenommen. «Nicht zu stoppen», titelte die Zeitung «Record» mit einem Bild von Ronaldo. «A Bola» verlangte mit einem Foto von Ronaldo, der den Zeigefinger ausstreckt, sogar noch mehr. «Das Finale ist gleich um die Ecke.»
Die Art und Weise, wie der Europameister als Gruppensieger das Halbfinal-Ticket buchte, kommt in der Heimat nicht unbedingt an. «Schönes Spiel? Fernando Santos weiß nicht, was schön oder hässlich ist, aber er weiß, wie man gewinnt», schrieb die Zeitung «Público» an Nationaltrainer Santos gerichtet. Die Seleção habe zwar einen klaren Sieg errungen, «aber die Vorstellung war weniger spektakulär, als es die Zahlen weißzumachen versuchen».
Santos ärgerte sich derweil über ein Versäumnis. Weil Neuseeland Anfang der zweiten Halbzeit auf den Anschlusstreffer drängte, ließ er Abwehrchef Pepe auf dem Platz. Der kassierte prompt seine zweite Verwarnung und ist im Halbfinale gesperrt. Nach der Verletzung von Dortmunds Linksverteidiger Raphaël Guerreiro muss Santos die Abwehr nun wieder umbauen.
(dpa)