Berlin – Nach den Rücktritten der Weltrekordler Paul Biedermann und Steffen Deibler sind die jungen deutschen Schwimmer bei den Meisterschaften in Berlin besonders gefordert.
Weltmeister Marco Koch ist der Star bei den nationalen Titelkämpfen von Donnerstag bis Sonntag in Berlin, aber dahinter sollen U23-Athleten ihre Chance für ein WM-Ticket nutzen. «Ich erwarte bis maximal 20 Sportler im WM-Team. Ich denke, dass wir uns in einer Bandbreite von 15 bis 20 Sportlern bewegen», sagte Chefbundestrainer Henning Lambertz.
Ein Jahr nach der Olympia-Pleite von Rio, erneut ohne Medaille für die Beckenschwimmer, setzt der Deutsche Schwimm-Verband auf härtere Normen. Für ein Ticket bei der WM vom 14. bis 30. Juli in Budapest muss in der offenen Klasse eine Zeit geschwommen werden, die bei den Sommerspielen für das Finale gereicht hätte. «Ich hoffe, dass circa sechs von meinen Athleten die offenen, harten Normen unterbieten», sagte Lambertz.
Leichter haben es die jüngeren Schwimmer, die durch vereinfachte Kriterien in den WM-Kader aufrücken können. «Die Erwartung an unsere Nachwuchsathleten ist groß. Durch die erleichterten Normen hoffen wir, dass 10 bis 12 junge U23-Schwimmer ins WM-Team vorstoßen», sagte Lambertz der Deutschen Presse-Agentur. Celine Rieder (16 Jahre), Isabel Gose (15), Ramon Klenz (19), Poul Zellmann (21), Wassili Kuhn (18) oder Florian Wellbrock (19) sind hoffnungsvolle U23-Kandidaten.
Der zweimalige Langbahn-Weltmeister Biedermann, Kurzbahn-Weltrekordler Deibler, Marco Di Carli und Florian Vogel etwa haben ihre Karrieren beendet. Verletzungen zwangen Dorothea Brandt, Alexandra Wenk oder Jan-Philip Glania zu Pausen. «Im Vergleich zum Vorjahr fehlt mir eine große Menge von Top-Athleten. Die Rücktritte sind jeder für sich verständlich, aber sie schmerzen uns sehr», sagte Lambertz.
Auch für Weltmeister Koch wird die Qualifikation kein Selbstläufer. Der 27-Jährige, der im vergangenen Jahr sein Gewicht stark reduzierte, hat sein Krafttraining verändert. «Über 50 Meter bin ich persönliche Bestzeit in Badehose geschwommen bei den hessischen Meisterschaften. Da sieht man, dass die Grundschnelligkeit höher geworden ist. Jetzt muss man schauen, dass sich das auch positiv auf die 100 und 200 Meter auswirkt», sagte der Olympia-Siebte.
Er muss für das Ticket für den Saisonhöhepunkt in Budapest in etwa so schnell wie im Finale in Rio schwimmen. «Bei der DM ist er noch nie so schnell geschwommen, wie er schwimmen muss», sagte Lambertz.
Der Chefbundestrainer muss sich in diesen Tagen auch gegen heftige Kritik an seinen Maßnahmen nach Olympia wehren. Lambertz setzt neben den härteren Normen auf mehr Zentralisierung und hofft auf Effekte durch das Kraftkonzept. «Man muss Dinge erneuern. Ich weiß auch nicht, ob das, was ich einstelle, am Ende wirklich zu 100 Prozent funktioniert und den erhofften Erfolg bringt. Was ich aber weiß ist, dass das, was wir über 20 Jahre lang gemacht haben, nicht funktioniert hat», sagte Lambertz. «Wir dürfen nicht an alten Dingen festhalten, sondern müssen jetzt den Mut finden, neue Wege zu gehen.»
(dpa)