Monte Carlo – Die Shownummern im Formel-1-Titelkampf überlässt Sebastian Vettel auch in Monaco seinem Rivalen Lewis Hamilton.
Wie ein Kurierfahrer radelt der deutsche WM-Spitzenreiter mit Helm und Rucksack in Monte Carlo zur Ferrari-Garage, während Hamilton in zerrissenen Jeans mit einem aufgemotzten Motorrad in die Boxengasse donnert. Eine Momentaufnahme an der Hafenkante, die das Duell der Gegensätze um die Krone der Königsklasse illustriert. «Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft, das ist das Rennfahren. Ansonsten sind wir sehr verschieden», sagt Vettel.
Der Hesse startet nach seiner Rekordrunde im Training als Favorit in das sechste Grand-Prix-Wochenende der Saison. Sechs Punkte beträgt sein Vorsprung in der Gesamtwertung auf Hamilton, der mit einem Sieg im Fürstentum vorbeiziehen würde. Fast zehn Jahre hat es gedauert, ehe zwei der besten Fahrer ihrer Zeit sich auf Augenhöhe in einem Titel-Zweikampf begegnen. «Ich bewundere sein Talent, seine Geschwindigkeit. Er zeigt Jahr für Jahr, was er für ein außergewöhnlicher Fahrer ist», sagt Hamilton über Vettel.
So nah wie sich die beiden Ausnahmepiloten zuletzt beim packenden Rennen in Barcelona kamen, so wenig teilen die beiden abseits der Strecke. Vettel lebt zurückgezogen auf einem Bauernhof in der Schweiz, hat mit Lebensgefährtin Hanna inzwischen zwei Kinder und meidet außerhalb seiner Formel-1-Dienstzeit das Rampenlicht. Hamilton ist ein Jetsetter, der nach seiner stürmischen Beziehung mit Popsternchen Nicole Scherzinger das Singleleben voll auskostet, rastlos auf der Suche nach dem nächsten Intensiv-Erlebnis.
In Monaco, wo er 2011 schon einmal gewann, spottet Vettel beim Blick auf die dicht gedrängten Appartementbauten: «Der Hügel da hinten wäre bestimmt schöner ohne Häuser, aber das muss wohl so sein.» Hamilton hat hier seit vielen Jahren seinen Wohnsitz.
Den Körper voller Tattoos, Millionen Follower auf Twitter, Facebook, Instagram – Lewis Hamilton will zeigen, wer er ist und was ihn bewegt. Vettel verweigert sich bis heute den sozialen Netzwerken, private Einblicke gewährt er ebenso sparsam wie einst sein Vorbild Michael Schumacher.
Der Respekt für den jeweils anderen, von dem Hamilton und Vettel in diesen Tagen beharrlich reden, speist sich vor allem aus den Leistungen auf der Rennstrecke. Sieben der letzten neun WM-Titel vereint das ungleiche Duo auf sich. Nur Jenson Button 2009 und Nico Rosberg im Vorjahr schoben sich dazwischen. Und doch entwickelte sich bislang keine echte Rivalität zwischen Hamilton und Vettel, weil sie bis zu diesem Jahr nie zeitgleich in fast gleichstarken Autos saßen.
«Als er im Red Bull fuhr, hätte ich mir gewünscht, dass mein Auto etwas schneller gewesen wäre, dann wäre es für ihn nicht so einfach gewesen. Aber er könnte natürlich das gleiche für die vergangenen paar Jahre sagen», stellt Hamilton fest. 2008 im McLaren, 2014 und 2015 im Mercedes wurde der Brite Weltmeister. Vettel holte seine vier Titel zwischen 2010 und 2013, als er das Maximum aus der Dominanz des Red-Bull-Rennstalls machte.
Ein Zweikampf der großen Marken Ferrari und Mercedes, eine Kraftprobe von zwei herausragenden und zugleich so unterschiedlichen Fahrern aus Ländern mit großer Motorsport-Tradition – der Formel 1, die durch den Besitzerwechsel einen längst überfälligen Umbruch durchlebt, konnte kaum etwas Besseres passieren. Mercedes-Teamchef Toto Wolff schwärmt bereits: «In dieser Saison habe ich wiederentdeckt, warum ich diesen Sport so sehr liebe.»
(dpa)