Berlin (dpa) – «Papa, ich kann kaum noch atmen.» Als Barack Obama noch zu Zeiten als US-Präsident von einem Asthmaanfall seiner Tochter Malia im Alter von vier Jahren erzählte, sprach er von schrecklichen Ängsten. Er hatte so etwas wie ein Aha-Erlebnis über mögliche Folgen des Klimawandels.
Vor dem Welt-Asthma-Tag am 2. Mai warnen deutsche Experten vor zunehmend aggressiven Pollen insbesondere in Städten. Sie rechnen im Zuge des Klimawandels mit einer weiteren Verbreitung von Allergien und dadurch bedingtem Asthma in der Bevölkerung.
Schon heute bekommen Heuschnupfengeplagte und Asthmatiker erste Folgen der globalen Klimaerwärmung zu spüren. Die Bedingungen für das Pflanzenwachstum haben sich verbessert. «Es gibt ganz klare Daten: In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Pollensaison in Deutschland schon deutlich verlängert. Aber sie ist auch intensiver geworden», sagt der Leiter des Allergie-Centrums der Berliner Charité, Torsten Zuberbier.
Rund 15 Prozent der Deutschen leiden nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) an Heuschnupfen, knapp neun Prozent an Asthma bronchiale. Während bei Heuschnupfen die oberen Atemwege in Mitleidenschaft gezogen sind, ist es bei Asthma die Lunge: Betroffene haben zum Beispiel Anfälle von Atemnot. Nicht-allergisches Asthma kommt relativ selten in Reinform vor.
«Patienten berichten uns, dass ihre Symptome von Jahr zu Jahr schlimmer werden», sagt die Direktorin des Instituts für Umweltmedizin des Helmholtz Zentrums München und der TU München, Claudia Traidl-Hoffmann. Besonders betroffen sieht sie zwei Gruppen: «Kinder sind besonders empfänglich», so die Medizinerin. «Was aber auch dramatisch ist: Wir sehen jetzt einen Anstieg von Ekzemen und Allergien bei älteren Menschen über 70 Jahren», sagt Traidl-Hoffmann. Menschen, die ein Leben lang beschwerdefrei waren, bekommen vermehrt eine Allergie.
Wie kommt das? Experten sehen neben einem veränderten Lebensstil der Menschen – kurz gefasst: Fernsehen statt Barfußlaufen – einen klaren Zusammenhang zu Umweltbedingungen, die vom Klimawandel maßgeblich beeinflusst werden. Mehrere Faktoren zusammen sorgen für einen stärkeren und stärker reizend wirkenden Pollenflug, aber auch eine größere Empfänglichkeit beim Menschen.
«Pollen, die im städtischen Bereich in der Nähe von Hauptstraßen gebildet werden, sind mit Dieselrußpartikeln besetzt und dadurch für die Atemwege indirekt aggressiver», sagt Zuberbier. «So können auch leichter Allergien entstehen». Hinzu kommt: Pflanzen wie Gräser und Kräuter, die zum Beispiel an Hauptverkehrsstraßen wachsen und dort viel CO2 ausgesetzt sind, stoßen verstärkt Pollen aus. Sie werden mit dem Treibhausgas regelrecht gedüngt.
Traidl-Hoffmann setzt Pflanzen mit ihren Kollegen in Gewächshäusern Bedingungen aus, wie sie in Zukunft erwartet werden. Sie beobachtet dabei: «Unter Trockenstress, Ozon-, CO2- und Stickoxidbelastung setzen Pflanzen vermehrt Allergene frei, was dann auch dazu führt, dass mehr Symptome entstehen. Aber auch alle empfindungsfördernden Substanzen schüttet die Pflanze unter diesen klimatischen Stressbedingungen vermehrt aus.» Setzt sich der Klimawandel so fort wie prognostiziert, erwarten die Experten ganzjährige Beschwerden bei Betroffenen. Und eine weitere Zunahme der Pollenallergien.
Wie das allein bei Menschen, die gegen Beifußblättriges Traubenkraut (Ambrosia) allergisch sind, aussehen könnte, haben Forscher europäischer Hochschulen hochgerechnet. Demnach könnte sich die Zahl der Betroffenen in Europa bis zum Jahr 2060 mehr als verdoppeln – auf bis zu 77 Millionen, berichteten sie im Fachblatt «Environmental Health Perspectives». Ursachen sind der Klimawandel und die dadurch begünstigte Ausbreitung der eingeschleppten Pflanze. Die größten Zuwächse sind laut Studie unter anderem in Deutschland zu erwarten.
Forscher warnt vor neuen Pflanzen als Allergieauslöser
Vor dem Welt-Asthma-Tag am 2. Mai warnt ein Berliner Allergieforscher vor dem unbewussten Einschleppen neuer Problem-Pflanzen. «Ein Trend in Gartenmärkten ist zum Beispiel die Japanische Zeder, eines der Hauptallergene in Japan», sagt Torsten Zuberbier, Leiter des Allergie-Centrums der Berliner Charité. «Olivenbäume stehen in jedem Café – eines der Hauptallergene in Südeuropa.»
Der Wissenschaftler appellierte, es sei dringend mehr Forschung nötig, um solche Trends erkennen und bei Allergikern auch testen zu können. «Das wird leider immer noch bagatellisiert», so Zuberbier. Zulassungen für Hauttests seien kompliziert: «Man kann Menschen in Deutschland noch nicht einmal auf ihre Reaktion auf Olivenpollen testen», sagte Zuberbier.
Asthma tritt bei den meisten Patienten in Deutschland in Kombination mit Heuschnupfen auf.
(dpa)