Dortmund – Er gehörte im deutschen Boxen nach der Wende zu den Besten. Mit Fleiß, unbändigem Willen und großem Herz verfolgte Oktay Urkal seine Ziele. Keine noch so große Enttäuschung konnte ihn stoppen.
«Ich habe Gutes mitgenommen und Schlechtes hinter mir gelassen», sagte der 47-Jährige der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Seit dem Ende seiner aktiven Laufbahn 2007 arbeitet der Olympia-Zweite von Atlanta 1996 und dreimalige Profi-Europameister als Trainer. Sein langer Atem hat sich ausgezahlt.
Urkal wurde von Weltmeister Marco Huck für den Titelfight gegen den Letten Mairis Briedis am Samstag (22.45 Uhr) in der Dortmunder Westfalenhalle angeheuert. «Huck spielt in der Champions League. Natürlich will ich das Beste daraus machen, damit ich da oben mitspielen kann», meinte Urkal, dessen Engagement zunächst nur für diesen Kampf gilt.
Urkal gesteht, dass der Weg deutlich steiniger ist als zu seinen aktiven Zeiten. In den 1990er Jahren war mit den TV-Straßenfegern von Henry Maske, Graciano Rocchigiani, Dariusz Michalczewski oder Axel Schulz vieles einfacher. Die Amateure fanden unmittelbar nach der deutschen Einheit größte Beachtung. Urkals Olympia-Silber von 1996 in Atlanta wurde seitdem von einem Deutschen nie mehr erreicht.
Dort hingekommen ist Urkal durch Fleiß. Angesichts von fünf Geschwistern packte «der Arbeiter-Typ», wie er sich nennt, immer und überall an. Er verkaufte auf dem Markt Röcke, half Omas, arbeitete bei McDonalds oder für Security-Firmen. Mit zehn Jahren fing er mit dem Sport an und verdiente sich beim Rummelboxen mal 50, mal 100 Mark dazu. Bei Ausflügen in Discos in Ostberlin wurde er immer wieder auf Trainer Ulli Wegner hingewiesen. «Am Tag nach dem Mauerfall bin ich rüber. Wegner fragte: ‚Wer bist du denn?‘ Ich antwortete: Oktay Urkal, norddeutscher Meister», erzählte Urkal. Der verdutzte Wegner nahm ihn unter seine Fittiche – und führte ihn zu fünf Medaillen bei großen Amateur-Meisterschaften.
Die deutschen Promoter rissen sich in den 1990er Jahren um die Olympioniken. Nach Atlanta ging Urkal mit den Klitschko-Brüdern zu Klaus-Peter Kohls Universum-Stall. Sein Staffelkollege Sven Ottke entschied sich für Wilfried Sauerland, zu dem Urkal später wechselte. Im Halbwelter- und Weltergewicht (63,5 bis 66,6 kg) hatte es Oktay Urkal mit hochkarätiger Konkurrenz zu tun. Egal, der «Ali von Kreuzberg», wie er gerufen wurde, marschierte. Zuerst unter Trainer Fritz Sdunek, dann unter Wegner.
Doch in vier WM-Kämpfen gegen Kostya Tszyu (2001), Vivian Harris (zweimal 2004) und Miguel Cotto (2007) – Kiefer- und Nasenbeinbruch inklusive – reichte es nicht zum großen Wurf. «Die Schlagkraft fehlte», sagte Urkal. Nur zwölf von 42 Profikämpfen endeten vorzeitig. Urkal war immer Realist. Trotz der Enttäuschungen ist er stolz auf seine aktive Karriere, die 280 Amateurkämpfe einschließt. Sie brachte ihm auch finanzielle Sicherheit.
«Ich bin froh, dass ich heil rausgekommen bin und weiter als Trainer arbeiten kann», sagte Urkal und ergänzte mit Blick auf Marco Huck: «Wenn ich das schaffe, bin ich der glücklichste Mensch. Dann kann ich irgendwann sagen, dass ich nicht nur ein erfolgreicher Sportler, sondern auch ein erfolgreicher Trainer war.»
(dpa)