Ein Deutscher will Fußball in Lettland voranbringen

Riga – Es ist ein guter Tag für Oliver Schlegl. Zufrieden steht er nach dem Spiel Riga FC gegen FK Ventspils auf Höhe der Mittellinie des Kunstrasenplatzes der Technischen Universität Riga. 

«Schönes Wetter, ziemlich viele Zuschauer, gute Atmosphäre, reibungslose Organisation», sagt der 50-Jährige am Spielfeldrand in das Mikrofon eines lokalen Radioreporters. Der in Lettland lebende Deutsche ist seit Jahresbeginn Chef der höchsten Fußball-Liga des Baltenstaats. 

Eine Woche vorher war das noch anders. Zum Auftakt der nach dem Kalenderjahr ausgetragenen Saison der lettischen Virsliga hatte ein Heimteam vergessen, einige Werbebanden aufzustellen. «So etwas verärgert natürlich Sponsoren», meint der gebürtige Helmstedter. Er verantwortet die Organisation, den internationalen Auftritt und das Marketing der acht Teams starken Liga der kleinen Ostseerepublik.

«Ich liebe Fußball und sehe es als interessante Herausforderung», sagt Schlegl über die neue Aufgabe in seiner Wahlheimat. Seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat der frühere Amateurschiedsrichter bereits vor ein paar Jahren. Nach einer Karriere als Manager in der Luftfahrtbranche mit Stationen in Deutschland, Kuwait und zuletzt Lettland war er seit 2013 als Spieleragent im Baltikum tätig. 

Anfangs sei er skeptisch gewesen, ob er sich als Ausländer um den Posten als Ligachef überhaupt bewerben solle. Doch habe er mehr positive als negative Rückmeldungen erhalten. «Deutschland hat als Fußball-Land einen guten Ruf», erzählt Schlegl. Dadurch öffneten sich einige Türen. Außerdem gelte er als neutral, da er weder Lette ist noch der starken russischen Minderheit in dem ethnisch gespaltenen Land angehört.

Auch beim lettischen Fußballverband gab es keine Vorbehalte. Punkten konnte Schlegl dort zuvor bereits mit einem Konzeptpapier zur möglichen Zukunft des lettischen Fußballs. Medien, Fans und Spieler zeigen sich ebenfalls aufgeschlossen. «Es geht nicht darum, ob er Ausländer ist oder nicht. Es geht vielmehr darum, ob er kompetent genug ist. Das wird die Zeit zeigen», meint etwa Kaspars Gorkss, Kapitän von Riga FC und der lettischen Nationalmannschaft. 

Der 35-jährige Abwehrhüne gilt als der Topstar in der von ihm als «wettbewerbsfähig» beschriebenen Liga, die in Europa jedoch nur eine Nebenrolle spielt. In der Fünfjahreswertung der UEFA liegt Lettland lediglich auf dem 41. Platz. Mit Skonto Riga ging zudem vor Kurzem der bekannteste und erfolgreichste Verein pleite. Wegen Skandalen um Spielmanipulation, mangelnder Infrastruktur und maroder Stadien hat die Virsliga überdies einen schlechten Ruf. Auch für das Nationalteam läuft es nicht gut: Die Mannschaft liegt in ihrer Qualifikationsgruppe für die Weltmeisterschaft in Russland auf dem vorletzten Platz und verlor zuletzt ein Testspiel gegen Georgien 0:5.

Ohnehin steht Fußball in Lettland deutlich im Schatten von Eishockey und Basketball. Auch ein kurzes Zwischenhoch durch die EM-Teilnahme 2004 und dem 0:0 im Gruppenspiel gegen Deutschland – bis heute der größte Erfolg der lettischen Fußball-Geschichte – hat daran bislang nichts geändert. In der Liste der beliebtesten Sportarten rangiert König Fußball nur auf Platz drei. 

Das zeigt sich auch bei Ligaspielen: Während in der Bundesliga 28 104 Menschen in der Wolfsburger Volkswagen-Arena das Spiel von Schlegls Lieblingsclub gegen den SV Darmstadt 98 verfolgen, versammeln sich zur selben Zeit in Riga gerade einmal gut 300 Fans auf und neben einer Behelfstribüne zwischen Wohnhäusern und Fabrikanlagen. Auch andere Partien locken keine Massen an – in der Vorsaison lag der Zuschauerschnitt in der Liga bei rund 500.

Dies will Schlegl trotz eines überschaubaren Budgets ändern – mit mehr Professionalität und besserer Vermarktung. «Fußball muss stärker in der Öffentlichkeit stattfinden, um populärer zu werden», betont er. Erstmals überträgt ein kleiner Spartensender in dieser Saison alle Ligaspiele live, ein Ligavideo mit Erkennungsmelodie wurde gedreht, und auf den Spielertrikots sind nun Namen aufgedruckt.

Auch die Jugendausbildung bei den Vereinen will der deutsche Ligaboss voranbringen. Sein Vorbild dabei: Island. Wie in Lettland gebe es dort lange Winter, in denen man kaum draußen trainieren kann. Deshalb seien auf dem Inselstaat Hallen gebaut worden, es werde in die Trainerausbildung investiert. «Das Ergebnis konnte man bei der EM 2016 sehen. Island hat eine phänomenale Entwicklung genommen», schwärmt Schlegl.

Doch bis dahin scheint es für Lettland und dessen höchster Liga noch ein weiter Weg zu sein. Das wenig unterhaltsame Spiel zwischen Riga gegen Ventspils endet ohne größere Torchancen 0:0. Nach dem Abpfiff jubelt kaum ein Fan, die Spieler klatschen sich ab, dann gehen alle zügig und friedlich nach Hause. «Zumindest ein Gewaltproblem haben wir sicherlich nicht», meint Schlegl.


(dpa)

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