Gütersloh – Das Führungspersonal in deutschen Kindergärten hat zu wenig Zeit für seine Leitungsaufgaben. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlt im Schnitt etwa die Hälfte der eigentlich für Pädagogik, Personal, Finanzen und Elterngespräche vorgesehenen Zeit.
Nur 15 Prozent der mehr als 51 000 Kitas in Deutschland erfüllen demnach die Empfehlung der Stiftung, wonach das Leitungspersonal rund 20 Stunden pro Woche plus 0,35 Stunden pro Kind für Führungs- und Leitungsaufgaben einsetzen sollte.
Bei ihrer Berechnung geht die Stiftung von anderen Grundsätzen aus aus als eine Expertenkommission im zuständigen Bundesfamilienministerium. Statt mehrere Faktoren wie Größe, Mitarbeiter- und Kinderzahl, sozialer Brennpunkt schlagen die Gütersloher Wissenschaftler eine Sockel-Zeit von 20 Stunden plus einem Faktor für jedes Kind vor. «Das macht die Betrachtung nicht so kompliziert», sagt Studienautorin Kathrin Bock-Famulla. Unterm Strich liegt der berechnete Ideal-Zustand bei der nötigen Zeit für das Führungspersonal bei der Stiftung noch unter der Forderung des Bundesministeriums.
Demnach gibt es in etwas mehr als jeder zehnten Kita keine Zeit-Ressourcen für Leitungs- und Verwaltungsaufgaben. Nach Berechnungen der Stiftung fehlen bundesweit für eine ideale Ausstattung auf der Leitungsebene rund 21 800 Kräfte. In Personalkosten umgerechnet wäre das ein Plus von 1,3 Milliarden Euro.
Ähnlich wie bei den Personalschlüsseln ist die Zeit-Budget für die Kita-Leitung in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. 28 Prozent der Kitas in Bremen haben keine Ressourcen für diese Aufgaben, in Sachsen-Anhalt und Thüringen dagegen sind es nur 1 Prozent. Während in Hamburg fast jede zweite Kita den empfohlenen Wert erreicht, sind es in Thüringen nur 3 Prozent.
Die Bedeutung der Leitungsaufgaben für die Qualität einer Kita ist nach Ansicht von Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, lange unterschätzt worden. «Eine gute Kita braucht kindgerechte Personalschlüssel und eine professionelle Leitung. Das verbessert die Qualität in den Kitas und hat einen positiven Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder», sagt Dräger. Die gestiegenen Ansprüche von Eltern, Gesellschaft und Politik könne eine Kita kaum erfüllen, wenn nicht wenigstens eine halbe Stelle für Leitungsaufgaben vorhanden ist, sagt der Vorstand.
Warum es in den Bundesländern zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, müsse im Einzelfall geprüft werden, sagt Bock-Famulla. So habe Niedersachsen eigentliche klare Vorgaben im Gesetz, die aber nicht entsprechend vor Ort überprüft würden. Andersherum sei das in Mecklenburg-Vorpommern. Hier seien die gesetzlichen Vorgaben eher weich formuliert. Auf kommunaler Ebene würde die Umsetzung aber gut kontrolliert.
Insgesamt geht Bock-Famulla davon aus, dass die Statistik eher noch zu positiv ausfällt. Nicht immer würde das Leitungspersonal ehrlich mit den Zahlen umgehen. Oft würde noch Arbeit mit nach Hause genommen. «Das liegt am Ethos der Kindergärtnerinnen, die sehr pflichtbewusst ihren Beruf ausüben».
(dpa)