Kiel – Der große THW Kiel droht aus der Weltklasse zu kippen. Das 21:24 in der Champions League gegen den dänischen Meister BSV Bjerringbro-Silkeborg ist ein vorläufiger Tiefpunkt auf der Achterbahnfahrt des deutschen Handball-Rekordmeisters In dieser Saison.
«Ich bin sehr enttäuscht über das Ergebnis und über die Art und Weise, wie wir gespielt haben», gestand Trainer Alfred Gislason. Kapitän Domagoj Duvnjak seufzte: «Wir sind sehr traurig und überrascht.»
Überrascht war er weniger vom Gegner als vielmehr vom eigenen Unvermögen. Was im Angriff gezeigt wurde, war ein Armutszeugnis. Selbst gegen die die international nicht zur Elite zählenden Dänen aus Silkeborg, die in elf Spielen zuvor nur zweimal gewonnen hatten, reichte es nicht. Haufenweise technische Fehler und Fehlwürfe selbst in besten Positionen zogen sich durch die Partie.
Zwei Silkeborger Routiniers, der 40 Jahre alte Torwart Sören Rasmussen und der 38 Jahre alte Kreisläufer Michael Knudsen, düpierten die Kieler. Zu allem Überdruss waren es noch zwei ehemalige Profis vom ungeliebten Nordrivalen aus Flensburg.
In der europäischen Königsklasse kassierte der THW bereits die sechste Niederlage dieser Saison und die dritte zu Hause. Die vierte droht in einer Woche gegen den FC Barcelona. Das ist dem dreimaligen Königsklassen-Gewinner (2007, 2010, 2012) in der Geschichte der Champions-League-Gruppenphase noch nie passiert.
«Die Niederlagen sind viel zu viel», konstatierte Rückraumschütze Marko Vujin, der derzeit in einem Tief steckt und kaum noch ins gegnerische Tor trifft. Mit elf Punkten nach zwölf Spielen liegt die Mannschaft auf dem fünften Tabellenplatz. Das Achtelfinale ist bereits erreicht, weil die ersten sechs von acht Teams in der Gruppe weiterkommen. Aus jetziger Sicht fällt es schwer zu glauben, dass der THW die nächste Runde übersteht. «Wenn die K.o.-Phase kommt, spielen wir unseren besten Handball», schwört Nationaltorhüter Andreas Wolff.
Es ist nicht allein die Ansammlung von Niederlagen, die Beobachter in dieser Saison zweifeln lässt. Die Spielweise der Mannschaft gibt zu denken, auch wenn sie in der Bundesliga weiterhin zum Führungs-Trio gehört. «Wir sind im Umbruch. Deshalb sind wir nicht eingespielt und brauchen Zeit», meinte Trainer Gislason und bat um Geduld. Wenn seine Stammkräfte um Duvnjak müde sind, vermag die zweite Garnitur nicht in die Bresche zu springen. Talente wie Nikola Bilyk und Lukas Nilsson schein sich rückwärts zu entwickeln.
Zudem sind auch siegreiche Partien kein Erfolgsmuster. Die Mannschaft spielt eine Halbzeit stark, in der anderen läuft plötzlich kaum etwas zusammen. Aus einem Neun-Tore-Vorsprung wird plötzlich eine Zitterpartie, in der der Sieg gerade noch über die Zeit gerettet wird. In den Auszeiten haben Beobachter nicht das Gefühl, dass Gislason die Mannschaft wachrütteln kann. Auch der Isländer wirkt ausgebrannt wie viele seiner Profis. Das ist bei der Dauerhatz mit Spielen im Drei-Tage-Rhythmus und vielen Ausfällen auch kein Wunder.
(dpa)