Kiel – Alfred Gislason fuchtelte verärgert mit seiner Krücke, dann schleuderte er sie zu Boden. Der Trainer des Handball-Bundesligisten THW Kiel war sauer auf seine Profis.
Sie unterlagen am Mittwoch im Champions-League-Gruppenspiel vor heimischem Publikum dem letztjährigen Finalisten Telekom Veszprem mit 25:27. «Noch habe ich keinen verletzt. Aber er ist schon grenzwertig», sagte Gislason im TV-Sender Sky über seine Gehhilfe, mit der er nach seiner Knieoperation durch die Halle humpelt und die er mitunter gefährlich durch die Luft wirbelt.
Nach der Niederlage ist seine Mannschaft auf Platz fünf in Gruppe A der Königsklasse zurückgefallen. Das an sich ist noch nicht dramatisch. Denn die Europäische Handball-Föderation (EHF) hat einen derart komplizierten Modus erfunden, dass dem Handball-Fan ganz schwindlig wird bei der Errechnung möglicher Konstellationen.
In den beiden Top-Gruppen kommen von acht Mannschaften jeweils sechs weiter. Aus den beiden leistungsschwächeren Sechser-Gruppen schaffen nach einer zusätzlichen Playoff-Runde nur zwei Teams den Einzug ins sogenannte Achtefinale, das keines ist. Denn daran nehmen nur zwölf Mannschaften teil. Grund: Die Sieger der Top-Gruppen überspringen eine Runde und sind bereits fürs Viertelfinale qualifiziert.
«Platz drei ist unmöglich», gesteht Gislason und rechnet weiter: «Platz vier ist unrealistisch. Es wird auf Platz fünf hinauslaufen.» Wird der THW tatsächlich Fünfter, muss er im verkappten Achtelfinale gegen den Vierten der Gruppe B antreten. Momentan sind das die Rhein-Neckar Löwen.
Die Kieler zeigten gegen Veszprem vor allem in der zweiten Halbzeit, dass sie derzeit nicht das Weltklasseteam von einst sind. Im Angriff agierte die Mannschaft verkrampft ohne Beweglichkeit, Tempo und Ideen. «Es fehlt die Eingespieltheit bei uns. Wir sind im Aufbauprozess und werden im nächsten Jahr ein eingespieltes Team haben», sagte Kreisläufer Rene Toft Hansen. Und weil der Neuaufbau Zeit braucht, betrieb Geschäftsführer Thorsten Storm beim erfolgsverwöhnten Kieler Anhang Enttäuschungs-Prophylaxe: «Es wird schwer, in diesem Jahr einen Titel zu gewinnen.»
Selbst Fußball-Trainer Markus Gisdol brachte den Schleswig-Holsteinern als Zuschauer kein Glück. Der HSV-Coach hatte vor einem Jahr ein Praktikum beim THW absolviert und ist seither angetan von Gislason. «Es ist beeindruckend, wie Alfred eine Weltklassemannschaft führt», meint er. Gern hätte er einen Kieler Sieg gesehen, zeigte aber Verständnis für die Niederlage. «Es ist eine junge Truppe. Da kann man nicht Erfolg über Erfolg erwarten.»
Eine weiteren Rückschlag musste der THW in der Bundesliga hinnehmen. Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt und Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen gewannen ihre Partien und haben jetzt fünf und zwei Punkte Vorsprung. Storm: «Abgerechnet wird zum Schluss. Wir sind noch in drei Wettbewerben vertreten.»
(dpa)