Lissabon – Von Vorfreude war wenig zu spüren. Ungewohnt wortkarg bestiegen die Dortmunder Profis den Flieger Richtung Lissabon.
Zwei Tage nach dem peinlichen 1:2 beim Bundesliga-Schlusslicht Darmstadt herrschte noch immer Katerstimmung. Immerhin bietet sich im Champions-League-Achtelfinale bei Benfica Lissabon am Dienstag (20.45 Uhr) die Chance zur Frustbewältigung. Wieder einmal könnte die Königsklasse dazu beitragen, die rätselhaften Formschwankungen im Ligaalltag zu kaschieren.
Allerdings drückte zudem noch die drohenden Strafe des DFB auf die Stimmung. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes hatte wegen der massiven Verfehlungen der BVB-Fans beim Spiel gegen RB Leipzig die Sperrung der Südtribüne bei einer Heimpartie und 100 000 Euro Strafe gefordert. Der BVB muss sich bis Montag dazu äußern.
Das Team versuchte vor dem Spiel in Lissabon sowohl das DFB-Urteil als auch die Niederlage in Darmstadt auszublenden. «Wir wissen alle, dass wir es in Darmstadt verbockt haben, aber das darf jetzt keine Rolle mehr spielen», betonte Kapitän Marcel Schmelzer vor dem Abflug. «Wir haben bisher in der Champions League gute Spiele gemacht. Das soll so bleiben.» Deshalb ist Torwart Roman Bürki davon überzeugt, dass das BVB-Team in Lissabon sein «wahres Gesicht» zeigen werde.
Die Aussage des Schweizer Nationalkeepers verriet viel über den Charakter der Mannschaft. Mit ihrem Auftritt in Darmstadt machte sie wieder einmal deutlich, wie groß bei ihr die Kluft zwischen Fußballkunst auf großer Bühne und dürftigen Vorstellungen in den Bundesliga-Hinterhöfen ist. Imposante 21 Treffer erzielte der BVB in der Königsklassen-Gruppenphase und sorgte damit für einen Rekord. Ousmane Dembélé hofft, dass die Mannschaft in Lissabon wieder ihr Potenzial abruft: «Wir waren im Herbst in der Champions League extrem konzentriert und fokussiert. Ich hoffe, das bleibt jetzt gegen Benfica so», sagte der Dribbelkünstler dem «Kicker».
Doch so leicht wie bei Legia Warschau (6:0) und Sporting Lissabon (2:1) dürfte es beim portugiesischem Meister und aktuellen Tabellenführer nicht werden. «Benfica ist mit Abstand der größte Club in Portugal. Einer, der mit seiner Wucht enorme Dynamik entfachen kann», warnte Sportdirektor Michael Zorc. Immerhin erreichte Benfica noch im vorigen Jahr das Viertelfinale des Wettbewerbs und scheiterte nur knapp am FC Bayern München (2:2/0:1). Weniger respektabel ist dagegen die aktuelle Bilanz in der Champions League. Das Team von Trainer Rui Vitória holte in der Gruppenphase nur acht Punkte und damit die wenigsten aller noch im Wettbewerb verbliebenen Clubs.
Schon einmal trafen beide Teams im Achtelfinale aufeinander. Am 4. Dezember 1963 spielte sich der BVB geradezu in einen Rausch. Nach dem 1:2 im Hinspiel zwei Wochen zuvor wurde die damalige Weltklasse-Elf aus Lissabon im Landesmeister-Pokal in Dortmund mit 5:0 vorgeführt. «Die Partie weckt Erinnerungen an unsere leider kürzlich verstorbene BVB-Legende Aki Schmidt und den Borussen-Triumph gegen Benfica im Jahrhundertspiel von 1963», sagte Schmelzer.
Ermutigend ist zudem die jüngste BVB-Bilanz gegen portugiesische Clubs. Sowohl der FC Porto in der vorigen Europa-League-Saison als auch Sporting Lissabon in der diesjährigen Champions League wurden jeweils zweimal besiegt.
Ein couragierter Auftritt im 65 000 Zuschauer fassenden Estádio da Luz soll helfen, sich eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel am 8. März in Dortmund zu verschaffen. Zur Freude von Tuchel stiegen die noch in Darmstadt fehlenden Profis Schmelzer, Lukasz Piszczek und Mario Götze wieder ins Training ein. Weltmeister Götze gehörte allerdings noch nicht zum Kader und blieb zuhause.
Anders als der BVB feierte Benfica eine gelungene Generalprobe. Obwohl das Team nach dem Platzverweis für Ederson (42.) über eine Halbzeit lang in Unterzahl spielen musste, wurde die Tabellenführung mit einem 3:0 gegen den FC Arouca gefestigt. Der am Niederrhein aufgewachsene Deutsch-Grieche Kostas Mitroglou traf dabei zwei Mal.
(dpa)