Mainz (dpa) – ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz geht mit «Dankbarkeit und Demut» in den Ruhestand – aber auch mit Kritik und Selbstkritik. Vor allem im Bereich des Rechteinekaufs sieht er schwere Zeiten auf seinen Sender zukommen, wie er im dpa-Interview erklärte.
Sie hören nach 39 Jahren im Sportjournalismus auf – was hat sich in dieser Zeit verändert?
Dieter Gruschwitz: Die Medienwelt ist eine komplett andere geworden. Das fängt mit dem Handwerk der Journalisten an. Da hat es einen Wandel der nicht so positiven Art gegeben, es ist vieles oberflächlicher geworden. Die digitalen Möglichkeiten haben eine Vielzahl von Sendern, Plattformen und Anbietern gebracht. Die Rechtesituation hat sich ebenso geändert wie die personelle Situation hier im Sender.
Und sonst?
Gruschwitz: Auch hat der Sport eine andere Wahrnehmung bekommen. Ich sage das durchaus selbstkritisch, denn der Sport war für mich immer so eine wunderschöne Insel. In den letzten Jahren haben wir vor Augen geführt bekommen, dass dem nicht so ist. Auch der Sport hat Begleiterscheinungen wie Korruption und Betrug, es gibt die gleichen Missstände wie auch in anderen Bereichen der Gesellschaft. Früher wurden auch mal die Augen zugemacht. Man glaubte an die heile Welt – aber die gibt es nicht mehr.
Ihr Nachfolger Thomas Fuhrmann ist der erste Sportchef des ZDF, der keine Olympischen Spiele übertragen darf. Wie sehr schmerzt es Sie, dass es beim ZDF in den nächsten acht Jahren kein Olympia mehr gibt?
Gruschwitz: Es schmerzt mich sehr. Ich hätte ihm gerne etwas anderes hinterlassen. Es ist sehr ärgerlich und misslich. Es hat in unserer Redaktion viel Enttäuschung und Wehmut gegeben. Aber auch Verständnis, dass wir über einen gewissen finanziellen Rahmen nicht hinausgehen konnten. Ob sich nach den Spielen 2018 noch mal ein Türchen öffnen wird, muss man abwarten.
Aber für die nächsten Spiele ist es zu spät?
Gruschwitz: Für 2018 wird sich nach meiner Einschätzung überhaupt nichts mehr tun. Wir werden bestenfalls nachrichtlich berichten können.
ARD und ZDF wurde noch vor ein paar Jahren vorgeworfen, sie würden mit den Gebühren alles vom Markt kaufen. Wenn man jetzt Olympia anschaut und die Handball-WM, dann sieht es so aus, als wenn es immer schwieriger wird, attraktive Rechte zu bekommen.
Gruschwitz: Das ist richtig. Was wir jetzt erlebt haben, ist erst der Anfang. Das wird weitergehen. Wir werden erleben, dass noch ganz andere internationale Player auf den Markt kommen mit mehr finanziellem Potenzial. Sie werden Rechteeinkauf und -verkauf globaler bestreiten, nationale Interessen werden dahinter verschwinden. ARD und ZDF sind finanzielle Grenzen gesetzt, da wird es immer schwerer werden, große Rechte zu erwerben.
Andrerseits hat es eine Annäherung an das Pay-TV gegeben. Das galt viele Jahre bei den Öffentlich-Rechtlichen als das böse Fernsehen. Inzwischen gibt es Kooperationen wie beim Handball.
Gruschwitz: Viele Verbände haben festgestellt, dass sie beides brauchen. Sie brauchen Plattformen für viel Live-Berichterstattung, und sie benötigen unsere Reichweite, etwa Handball, Basketball oder Eishockey. Insofern nimmt uns das Pay-TV gar nicht so viel weg.
Das Aushängeschild des ZDF ist neben den großen Live-Übertragungen das «Aktuelle Sportstudio». In Ihrer Amtszeit ist der Klassiker spät am Abend versteckt worden.
Gruschwitz: Ich persönlich bin damit nicht glücklich. Auf der anderen Seite muss man akzeptieren, dass die Akzeptanz der Sendungen davor besser ist, die Programmstruktur am Abend ist somit optimiert. Und oft genug muss anderes Programm für den Sport weichen, wie etwa im Winter.
Das Diktat der Quote bestimmt also auch auf dem Lerchenberg?
Gruschwitz: Quote hat immer so einen negativen Touch. Quote drückt ja auch ein Zuschauerinteresse aus. Der Zuschauer soll ja auch entscheiden, was er sehen will.
Warum ist es zunehmend schwierig geworden, echte Stars ins «Sportstudio» zu bekommen?
Gruschwitz: Es gibt sie immer noch, die Stars, die es als Auszeichnung sehen, ins «Sportstudio» zu kommen. Aber Sie haben recht, es wird bei den internationalen Stars zunehmend schwerer. Früher waren «Sportstudio» im ZDF und «Sportschau» in der ARD allein auf weiter Flur. Jetzt brauchen die Sportler die Sendungen nicht mehr, um sich darstellen und präsentieren zu können. Oder der Abend wird lieber zu Hause verbracht.
ZUR PERSON: Dieter Gruschwitz (63) war zwölf Jahre Sportchef beim ZDF, jetzt hört er freiwillig auf. Am Dienstag ist offiziell der letzte Arbeitstag. Dann übernimmt Thomas Fuhrmann die Leitung des ZDF-Sports.
(dpa)