Brackley – Die Entmachtung von Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone markiert für Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff eine Zeitenwende.
«Es geht eine Ära zu Ende und eine neue beginnt», sagte der Österreicher im Interview der Deutschen Presse-Agentur und sprach außerdem unter anderem über Machtverhältnisse in der Formel-1-Führungsriege und mediale Konkurrenz wie YouTube.
Herr Wolff, was werden Sie an Bernie Ecclestone als Geschäftsführer der Formel 1 vermissen?
Toto Wolff: Bernie ist ein Dealmaker, der bewiesen hat, aus dem Nichts einen globalen Sport zu schaffen. Eine, wenn nicht die größte, von Bernies Stärken ist es, Rennstrecken unter Vertrag zu nehmen und dort Einnahmen zu generieren. Das wird eine Herausforderung sein. Andererseits hat er die Formel 1 auch zu einer exklusiven Sportart gemacht, in dem er den Zugang limitiert hat. Nun geht es darum, den bestmöglichen Kompromiss zu finden zwischen Exklusivität und die Formel 1 gleichzeitig für den Fan und Sponsoren zu öffnen.
Steht Ecclestones Abschied für eine Zeitenwende in der Formel 1?
Wolff: Es geht eine Ära zu Ende und eine neue beginnt. Die Formel 1 wäre nicht eine der größten globalen Sportarten ohne Bernie, und wir alle würden den Job nicht machen, wenn er ihn nicht zu diesem globalen Sport gemacht hätte. Jetzt geht diese Ära zu Ende und in eine neue Ära über.
Wie könnte diese Ära aussehen? Der neue Geschäftsführer Chase Carey hat in Ross Brawn und Sean Bratches zwei Direktoren eingesetzt.
Wolff: Wir konnten uns schon auf Liberty Media und vor allem die handelnden Personen um Chase Carey einstellen. Sie wissen, was sie tun. Sie sind Experten in ihrem Feld. Der Lebenslauf von Chase ist beeindruckend, was die Monetarisierung von TV-Rechten betrifft, da kann man ihm nichts vormachen. Sich mit Ross, der die Formel 1 genau kennt, und mit Sean, der auf der kommerziellen Seite absolut sattelfest ist, Verstärkung, eine geballte Kompetenz zu holen, das sind generell gute Nachrichten für uns.
Wie könnte die Verteilung der Machtfülle aussehen?
Wolff: Die Machtfülle, die Bernie hatte, ist natürlich historisch gewachsen und der Erfolg hat ihm Recht gegeben, dass das System so funktioniert. Jetzt gehen wir in eine neue Phase. Chase wird Chairman und CEO sein, an der Verantwortlichkeit wird sich daher nicht viel ändern, er ist verantwortlich für die Formel 1, hat aber zwei Direktoren, einen für Motorsport und einen für kaufmännische Angelegenheiten. Ich glaube, das ist ein gutes Setup.
Worin bestehen die Qualitäten von Carey?
Wolff: Wir wissen, was er in der Vergangenheit in den USA geleistet hat, und das alleine ist Zeugnis genug. Gleichzeitig hat er die Herangehensweise, sich bei der Transaktion im Hintergrund zu halten, zu lernen, sich die Meinung der Teams anzuhören und sich dann selbst eine Meinung zu bilden. Gerade die Anstellung von Ross beweist, dass er sich Knowhow und Kompetenz in den Bereichen holt, in denen es ihm an Erfahrung mangelt, um sich bestmöglich aufzustellen.
Was zeichnet Brawn aus, mit dem Sie selber zusammengearbeitet haben?
Wolff: Ross kennt die Formel 1 aus seiner fast 30-jährigen Tätigkeit, hat also alle möglichen Phasen durchlebt. Bisher hat er die Interessen eines Teams vertreten und versteht natürlich sehr genau, wo mögliche Interessenkonflikte liegen können. Jetzt geht’s darum, nach den Vorgaben von Liberty im Sinne des Sports den bestmöglichen Unterhaltungswert zu schaffen. Ross ist da der richtige Mann, das zu bewerten und gemeinsam mit der FIA und den Teams umzusetzen.
Liberty Media würde die Rennställe gerne als Teilhaber der Formel 1 gewinnen. Ist das eine Option für Mercedes?
Wolff: Es wurde uns angeboten, kein Team hat das aber wahrgenommen, weil auch die Zeit gefehlt hat und die Bedingungen noch nicht ganz abgestimmt sind zwischen den Interessen der verkaufenden Shareholder CVC und den langfristigen Interessen der Teams, denen es in allererster Linie um den Sport, die Nachhaltigkeit des Sports und die Möglichkeit der Mitgestaltung geht. Das müssen wir jetzt zusammen mit Liberty erarbeiten.
Erhoffen Sie sich für die Teams mehr Mitsprache nach dem Machtwechsel?
Wolff: Liberty ist sich bewusst, dass die Teams gemeinsam mit den Fahrern essenzieller Bestandteil der Show sind und dass man gemeinsam eine Struktur entwickeln muss, die im Sinne aller ist, die den Sport nicht kannibalisiert. Gleichzeitig müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es ein Event, ein Unterhaltungsfaktor ist und wir gegen jeden, der auf YouTube ein Video online stellt als Mitbewerber bestehen müssen. So wie die letzten Gespräche zwischen den Teams und Liberty gelaufen sind, werden wir sehr mitinvolviert sein, den Sport zukünftig zu gestalten.
ZUR PERSON: Toto Wolff (45) ist seit Januar 2013 Motorsportchef bei Mercedes. 2014, 2015 und 2016 sicherte sich das Team sowohl die Konstrukteurs- als auch die Fahrer-WM. Wolff hält 30 Prozent der Anteile an der Mercedes-Benz-Grand-Prix Ltd.
(dpa)