Oberbürgermeister: Wirkung von RB Leipzig ist gewaltig

Leipzig – Auf dem aktuellen Rathaus-Balkon würde es eh zu eng. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung wäre schon «mehr als sehr zufrieden, wenn es die Mannschaft in die Champions League schaffen würde».

Der 58-Jährige äußert sich in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur auch zum geplanten Ausbau des Stadions: «Ich glaube, dass wir das schaffen, aber es sind eine ganze Reihe von Prüfungen notwendig. Weitere Themen: Die Wirkung des Vereins über Leipzigs Grenzen hinaus, aber auch die Verantwortung für den im Mai 2009 erst gegründeten und vom österreichischen Getränkehersteller gesponserten Verein, der in der Fußball-Bundesliga als Aufsteiger auf dem zweiten Platz liegt.

Wie sehr war die Entscheidung kurz vor Weihnachten von RB Leipzig für einen Aus- statt Neubau des Stadions auch für die Stadt ein Geschenk?

Burkhard Jung:Das war für Leipzig eine sehr wichtige Entscheidung. Die Vorstellung, dass irgendwann ein Stadion auf einer grünen Wiese und vielleicht eine Ruine mitten im Wohngebiet stehen, ist stadtplanerisch mehr als beunruhigend. Ich bin zudem fest davon überzeugt, dass unser Stadion ein Beispiel für die Zukunft ist: Orte, an denen Menschen sich begegnen, mitten im Herzen der Stadt zu haben, ist ökologisch sinnvoll, mit sehr guter Verkehrsanbindung auch mit öffentlichen Transportmitteln. Bei allem Reiz des Großdimensionierten sollte man hier jetzt die Möglichkeiten erstmal ausreizen. Damit haben wir auch klare Perspektiven für die Zukunft.

RB-Vorstandschef Oliver Mintzlaff hat bei der Verkündung am 22. Dezember gesagt: «Nun liegt es an der Stadt, dem Verkauf zuzustimmen und unsere Bauvoranfrage positiv zu bescheiden.» Besteht die Gefahr, dass die Entscheidung negativ ausfällt?

Burkhard Jung:Zum Verkauf des Stadions wird es sicherlich ein positives Votum des Stadtrates geben. Aber es ist schon kompliziert, das Stadion auf 58 000 Zuschauer auszubauen. Ich glaube, dass wir das schaffen, aber es sind eine ganze Reihe von Prüfungen notwendig.

Welches sind denn die größten Knackpunkte?

Burkhard Jung:Emissionsrechtliche und verkehrsrechtliche Fragen.

Welchen Spielraum haben Sie dabei?

Burkhard Jung:Ich denke, dass wir verkehrstechnisch gut hinkommen. Insbesondere durch das Verkehrskonzept, das wir ja schon bei den Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Leipzig geübt haben: Möglichst wenig Individualverkehr, möglichst große Nutzung öffentlicher Transportmittel. Zudem kann man ja vom Hauptbahnhof das Stadion in rund 20 bis 25 Minuten zu Fuß erreichen. Die emissionsrechtliche Frage, insbesondere der Schallschutz, dürfte sich auch technisch lösen lassen.

Wie nehmen Sie RB Leipzig generell als Botschafter für die Stadt Leipzig wahr?

Burkhard Jung:Das ist ein großes Geschenk. Der Taxifahrer in Tel Aviv, der Generalsekretär der kommunistischen Partei in Vietnam, oder irgendjemand in London – egal, wo ich hinkomme, ich werde darauf angesprochen. Die internationale Wirkung ist gewaltig. Diesem Aufsteiger wird eine unglaubliche Aufmerksamkeit entgegengebracht. Besser geht es nicht.

Denken Sie, dass die Wirkung auch so wäre, wenn der Verein nicht von Red Bull gesponsert würde?

Burkhard Jung:Ich glaube schon, dass diese Art des Sponsorings und auch diese Vereinsstruktur so polarisieren, dass man in der Fußball-Welt diesen Verein kennt.

Hat sich die Akzeptanz des Vereins in den Jahren verändert?

Burkhard Jung:Die Verantwortlichen haben es sehr gut verstanden, den Verein in der Stadt heimisch zu machen: durch eine gute und kluge Jugendarbeit, durch eine gute Fanarbeit. Mit dem Aufstieg in die erste Liga gab es dann noch mal einen großen Schub. Und als die Mannschaft in der Hinrunde Spiel um Spiel ohne Niederlage bestritten hat und bis auf den ersten Platz kam, haben wir uns alle nur noch die Augen gerieben. Eine Mannschaft, die einen wunderbaren eleganten Offensiv-Fußball spielt und vorne mitmischt.

Ralph Hasenhüttl meinte einmal mit Bezug auf den Glühwürmchenzug, dass in Leipzig eine neue Generation mit dem Verein aufwachse – welche Verantwortung trägt man dann auch als Verein?

Burkhard Jung:Für die alteingesessen Leipziger ist die Rivalität von Lok und Chemie Leipzig so sehr prägend gewesen. Die hat so viele Gräben gerissen und auch Aggressionen freigesetzt, dass man kaum noch zum Fußball gehen konnte. Jetzt wird eine Generation mit RB Leipzig groß, und sie erlebt eine international aufgestellte Mannschaft. Sie erlebt eine offene, interkulturell offene Mannschaft. Als die Legida-Bewegung sich vor dem Stadion sammelte, gingen die Lichter am Stadion aus. Auch da entsteht in der Tat eine Vorbildwirkung. Das erwarte ich aber auch von einem international aufgestellten Verein.

Haben Sie eigentlich den Balkon schon für den 20. Mai reserviert?

Burkhard Jung:Mein Problem ist ja, dass auf diesen Balkon nicht mehr als 12, 13 Personen dürfen. Er ist zu schmal und zu baufällig, um dort eine ganze Mannschaft begrüßen zu können. Im Ernst: Ich wäre mehr als sehr zufrieden, wenn es die Mannschaft in die Champions League schaffen würde. Auf den Balkon kommen sie erst, wenn sie Meister sind. Vielleicht haben wir bis dahin auch saniert. (lacht)

Zur PERSON:Burkhard Jung (58) ist seit dem dem 29. März 2006 Oberbürgermeister der Stadt Leipzig. Er wurde im westfälischen Siegen geboren und ist ein ehemaliger Lehrer für Deutsch und Religion. Jung war unter 2006 WM-Beauftragter der Stadt Leipzig, von Oktober 2001 bis November 2003 war er Olympiabeauftragter Leipzigs gewesen.


(dpa)

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