Oberhof – Es sah so aus, als ob Darja Domratschewa nie weg gewesen wäre. Schlank wie eh und je und geradezu leichtfüßig schwebte die dreimalige Biathlon-Olympiasiegerin aus Weißrussland im Training in Oberhof über die Loipe.
Zwar versenkte die 30-Jährige bei widrigen äußeren Bedingungen mit Wind und Schnee nicht jeden Schuss im Ziel, aber klar ist: Nur drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter Xenia und nach insgesamt 656 Tagen Pause ist mit der Ehefrau von Norwegens Biathlon-Legende Ole Einar Bjørndalen am Freitag im Sprint (14.15 Uhr) wieder zu rechnen.
Reden mochte Domratschewa über ihr Comeback nicht. Das überließ sie anderen. «Sie fühlt sich gut. Aber wir erwarten hier keine Wunderdinge, es geht Schritt für Schritt. Wir werden sehen», sagte Trainer Fjodor Swoboda und versuchte, keinen Druck entstehen zu lassen.
Auch Deutschlands Damen-Bundestrainer Gerald Hönig glaubt noch nicht, «dass Dascha bei hundert Prozent ihrer Leistungsfähigkeit ist». Der Zeitraum von der Geburt bis jetzt sei «schon sehr kurz. Aber wir haben sie schon im November in Sjusjoen gesehen. Da hat sie sich bewegt und geschossen, als ob sie nie weg gewesen wäre. Das zeichnet solche Ausnahmeathleten auch aus», meinte Hönig weiter
In Oberhof zeigte sich Domratschewa in toller Verfassung. Athletisch und ohne ein Gramm Fett zuviel präsentierte sich Weißrusslands Nationalheldin. Am Mittwoch trainierte sie gut zwei Stunden. Ihre Eleganz auf den Brettern hat sie nicht verloren.
Für Domratschewa und Ole Einar Bjørndalen ist es der erste Auftritt im Weltcup als Familie. Auf Töchterchen Xenia passen Domratschewas mitgereiste Eltern auf. «Ich freue mich wirklich drauf. Ich bin sehr glücklich», sagte der Rekord-Weltmeister und Olympiasieger. Als Experiment «würde ich das nicht bezeichnen. Das ist Leben. Als Familie experimentiert man nicht.» Die beiden hatten im Sommer in «Daschas» Heimatstadt Minsk geheiratet, nachdem beide lange Zeit aus ihrer Beziehung ein Geheimnis gemacht hatten. Am 1. Oktober kam Töchterchen Xenia zur Welt.
Ihr letztes Rennen bestritt Domratschewa am 22. März 2015 mit Platz vier im Massenstart von Chanty-Mansijsk, als die aktuelle Weltcup-Spitzenreiterin Laura Dahlmeier ihr zweites Weltcup-Rennen gewann. Domratschewa feierte seinerzeit ihren ersten Weltcup-Gesamtsieg, musste die nächste Saison aber wegen Pfeifferschen Drüsenfiebers komplett auslassen. Dann kam die Schwangerschaftspause.
Zum ersten Aufeinandertreffen zwischen Dahlmeier und der Rückkehrerin könnte es im besten Fall am Sonntag im Massenstart kommen. Dafür muss sich die Weißrussin aber in Sprint und Verfolgung erst qualifizieren. Dahlmeier lässt die beiden ersten Rennen in Oberhof aus. «Ich bin mir sicher, sie kommt nicht zurück, um nur mitzulaufen. Darja wird in guter Form sein, und Konkurrenz belebt das Geschäft», sagte Dahlmeier: «Jetzt muss sie aber erstmal zeigen, was sie kann.»
Domratschewa will wie ihr Ehemann vor allem bei Olympia 2018 glänzen. Und sie weiß: Erfolgreiche Mütter im Biathlon sind keine Seltenheit. Marie Dorin-Habert wurde im September 2014 Mama, 2015 holte die Französin zweimal WM-Gold. Ein Jahr später gab es neben dreimal Gold noch drei weitere WM-Medaillen. Die Norwegerin Liv-Grete Poiree holte 2004 nach der Geburt ihrer ersten Tochter bei der WM in Oberhof viermal Gold. Und auch die Slowakin Anastasiya Kuzmina, zweimal Sprint-Olympiasiegerin, holte als Mama Titel.
(dpa)