Leverkusen – Für Bayer Leverkusens Trainer Roger Schmidt wird es auch nach der Bundesliga-Winterpause sehr frostig bleiben.
Die Rauswurf-Forderung von restlos enttäuschten Fans nach der 1:2-Blamage gegen Abstiegskandidat FC Ingolstadt wies Sportdirektor Rudi Völler («Nein, Stand jetzt, warum?») zwar zurück, sparte erzürnt aber nicht mit harter Kritik. «Grottenschlecht», lautete sein Urteil, verbunden mit einer grundsätzlichen Klage über den nicht mehr erkennbaren und einst gefeierten Schmidt’schen offensiven Spielstil.
«Aggressiv den Gegner unter Druck setzen, früh zu pressen: Das kommt bei uns gar nicht mehr vor», schimpfte Völler. Beim Amtsantritt von Schmidt im Sommer 2014 war er wie viele vom furiosen Angriffswirbel des Werksclubs begeistert. Nun steht Schmidt vor dem Scherbenhaufen seiner Philosophie, weil er sie nicht weiterentwickelt und variiert hat. Wie man es besser macht, zeigen Aufsteiger RB Leipzig – und die Ingolstädter mit dem neuen Coach Maik Walpurgis: Mit Dreierkette und dadurch Übergewicht im Mittelfeld wurde Bayer kühl ausgeknockt.
Der 49-jährige Schmidt zeigte sich nur bedingt beeindruckt von den «Roger raus»-Rufen der Fans («Akzeptieren») und sorgte mit seiner Interpretation der Krisensituation (Platz 9/22:23-Tore/7 Niederlagen) und seiner Einstellung dazu für Erstaunen. «Ich finde das, was die Mannschaft leistet, fantastisch, auch wenn sich das heute etwas komisch anhört», sagte er. «Ich weiß nicht, ob man erwarten kann, dass die Mannschaft immer vorne weg auf dem zweiten oder dritten Platz marschieren kann.»
Außerdem sei die Lage nicht so dramatisch. «Wir liegen sieben Punkte hinter einem Champions-League-Platz und sind im Achtelfinale vertreten», befand Schmidt. «Es ist keine Situation, in der wir resignieren.» Schließlich sei der Kader unter seiner Ägide komplett umgebaut worden und das Team sehr jung. «Da wird es immer Phasen geben, nicht auf einem Champions-League-Platz zu stehen. Das ist auch egal», erklärte er. Bis zum 34. Spieltag wolle man da hinkommen: «Vielleicht gelingt es uns diese Saison nicht, vielleicht doch.»
Ungeachtet dieser wenig selbstkritischen Analyse stehen Schmidt und seine Profis am Mittwoch im prestigeträchtigen Nachbarschaftsduell beim 1. FC Köln mächtig unter Druck. «Keine Ausreden – holt den Derbysieg», forderten die Bayer-Anhänger auf einem Plakat. Es geht um Wiedergutmachung und darum, in der Liga nicht noch weiter abgehängt zu werden.
«Das Spiel ist von großer Bedeutung für die Tabellensituation, für den Verein und die Fans», meinte Nationalspieler Jonathan Tah nach einer Partie gegen Ingolstadt ohne «Männer auf dem Platz». Warum Bayer in der Königsklasse ungeschlagen in die K.o.-Runde gelangte, mal stark und mal indiskutabel in der Liga spielt, kann er nur vage erklären. «Es ist mehr der Kopf. Wir können alle laufen und Fußball spielen – wir müssen nur wieder an uns glauben», meinte Tah.
Alle Ursachenforschung über die «sehr unbefriedigende Hinrunde» ist für Rudi Völler mit Blick auf das Köln-Spiel völlig egal. «Wir müssen noch einmal alles aus dem Körper rausholen, auch wenn alles ein bisschen niedergeschlagen aussieht», forderte der Sportchef. In der Domstadt will er ungeachtet von Spielkultur vollen Einsatz sehen: «Bei allen Philosophien, die ein Trainer hat, muss es auch mal die alte Schule sein und der Rasen umgewühlt werden.»
(dpa)