Madrid – Geballte Offensivpower und ein neuer Torrekord – Borussia Dortmund hat im Estadio Santiago Bernabéu für eine dicke Überraschung gesorgt und Real Madrid den Gruppensieg in der Champions League noch weggeschnappt.
Joker Marco Reus (88. Minute) sicherte dem BVB mit seinem Treffer ein hochverdientes 2:2 (0:1) und Platz eins in der Vorrundenstaffel F. Damit dürfen die Westfalen nun bei der Achtelfinal-Auslosung auf einen vermeintlich leichteren Gegner hoffen. Und das, obwohl Reals Karim Benzema (28./53. Minute) die Partie mit seinen Königsklassentreffern 49 und 50 zwischenzeitlich schon fast entschieden hatte. Pierre-Emerick Aubameyang (60.) brachte den BVB daraufhin wieder heran – und bereitete später auch noch den Reus-Treffer stark vor.
«Auba macht das Weltklasse, und ich mache ihn zum Glück rein», schilderte Reus, der leicht angeschlagen zunächst nur auf der Bank gesessen hatte und erst nach einer Stunde eingewechselt worden war. «Für uns ist es extrem wichtig, dass wir in der Gruppe Real Madrid geschlagen haben», sagte er. Auch Trainer Thomas Tuchel freute sich über ein «Topende für uns». Aber mit Blick aufs Achtelfinale habe der Gruppensieg keine große Bedeutung. «Sie werden keinen Wunschgegner von mir hören, das ist alles gleich kompliziert», kommentierte er.
Die überrumpelten Madrilenen trauerten dem Gruppensieg ein bisschen hinterher. «Wir hätten gewinnen müssen», haderte Benzema und kritisierte: «Die Konzentration hat nachgelassen, auch wenn es insgesamt ein wirklich tolles Spiel war.»
Mit den Toren 20 und 21 im sechsten Vorrundenspiel stellte Tuchels BVB-Team obendrein einen neuen Rekord in der Königsklassen-Gruppenphase auf und egalisierte die 20-Tore-Marken von Manchester United (1998/99), des FC Barcelona (2011/12) und von Real Madrid (2013/14). Mit etwas mehr Abschlussstärke hätten die Gäste an diesem Abend sogar noch häufiger treffen können, dazu ließen sie allerdings zu viele prima Gelegenheiten ungenutzt.
Doch auch so hatte der ohne den verletzten Mario Götze angetretene BVB immensen Anteil an einem höchst ansehnlichen Spiel. Die Dortmunder kamen gegen Reals Weltklasseoffensive um den nach einer Verletzung genesenen und spät eingewechselten Toni Kroos zwar wie erwartet immer wieder in arge Bedrängnis, untermauerten dafür aber auf der Gegenseite auch eindrucksvoll ihre Offensivqualitäten.
Die Borussen begannen direkt forsch und angriffslustig. Einem ersten Warnschuss von Aubameyang (3.) folgte nur eine Minute später die erste Dortmunder Topchance durch André Schürrle. Aus zentraler Position donnerte der Nationalspieler den Ball von der Strafraumgrenze minimal übers Tor. Kurz vor der Pause – nach einem kleinen Dortmunder Tief Mitte der ersten Halbzeit – hatte der Ex-Wolfsburger seine zweite dicke Chance, diesmal per Freistoß. Elegant zirkelte Schürrle den Ball aufs Tor, Keeper Keylor Navas war aber noch rechtzeitig in die linke Ecke gesprungen (40.).
Immer wieder waren die Borussen nah dran an einem Erfolgserlebnis, hinten allerdings auch oft überfordert. Zu viele Unsauberkeiten prägten zeitweise das BVB-Spiel. Cristiano Ronaldo, Lucas Vazquez und Benzema kombinierten sich mit ihrer Klasse ein ums andere Mal locker durch die Verteidigung. Nach zehn Minuten legte Ronaldo ab für Benzema, dessen Schuss Roman Weidenfeller parieren konnte. Nach 19 Minuten fand der Ball über Vazquez und Ronaldo den Weg zu James, der aus spitzem Winkel ebenfalls am Keeper scheiterte.
Doch nach 28 Minuten konnte auch der Fußball-Weltmeister die Führung der Gastgeber nicht mehr verhindern. Eine glänzend getimte, scharfe Hereingabe von Daniel Carvajal verwertete Benzema aus kurzer Distanz. Weidenfeller und seine Nebenmänner kamen einen Tick zu spät.
Mit einem Chancen-Doppelpack binnen zwei Minuten durch Ousmane Dembelé (49.) und Gonzalo Castro (50.) offenbarten die Dortmunder direkt nach der Pause erneut ihre Gefährlichkeit. Doch stattdessen traf Benzema zum zweiten Mal: Per Kopf verwertete er eine James-Flanke zur vermeintlichen Vorentscheidung. Dass es noch mal spannend wurde, war Aubameyang zu verdanken, der einen glänzenden Spielzug zum Anschlusstreffer verwertete. Marcel Schmelzer ließ den Ball abtropfen, und der Stürmer war aus fünf Metern zur Stelle.
Und danach? Ging es weiter hoch her – auf beiden Seiten. Marcelo (74.) und Ronaldo (78.) verpassten für Real die Entscheidung, Reus machte es besser und traf zwei Minuten vor Schluss zum 2:2.
(dpa)