Kristianstad – Was für eine verrückte Konstellation: Die selbst ernannten «Ladies» von Handball-Bundestrainer Michael Biegler kämpfen ausgerechnet gegen dessen alte Liebe Polen um den Einzug in die EM-Hauptrunde.
Im letzten EM-Vorrundenspiel in Kristianstad an diesem Donnerstag (18.30 Uhr) reicht der DHB-Auswahl ein Punkt zum sicheren Weiterkommen.
Für Biegler wird die Partie zur Reise in die Vergangenheit. Der 55-Jährige trainierte bis Ende Januar die polnische Männer-Nationalmannschaft und sorgt damit für ein Novum: Er ist der einzige Trainer in der Handball-Geschichte, der im selben Jahr bei zwei Europameisterschaften dabei ist – und das auch noch mit zwei unterschiedlichen Nationen.
Das alles interessiert Biegler aber nicht. Für ihn zählt nur eines: das Erreichen der Hauptrunde. Deshalb hat er das knappe 20:22 gegen den Olympia-Zweiten Frankreich mit der Mannschaft intensiv aufgearbeitet. Vor dem Gruppenfinale sieht er seine Schützlinge auf einem guten Weg. «Mit dem Resultat bin ich unzufrieden, aber mit vielen Dingen, wie wir uns als Team entwickelt haben, bin ich zufrieden», sagte Biegler.
Auch die Spielerinnen nahmen viel Positives mit. «Frankreich stellt eine der besten Abwehrreihen der Welt, daran haben wir uns das eine oder andere Mal die Zähne ausgebissen», sagte Nationalspielerin Isabell Klein. «Wir haben dadurch aber auch viel gelernt – viele unserer jungen Spielerinnen, die viel gespielt haben, haben gesehen, was der Unterschied zur Weltspitze ist. Deshalb, denke ich, sind wir mit diesem Spiel trotzdem einen großen Schritt weitergekommen.»
Die Frankreich-Legionärin, die seit dieser Saison in Nantes spielt, legte sich daher fest: «Aus der Niederlage gehen wir gestärkt hervor. Das wollen wir gegen Polen auch beweisen.» Gedanken an eine Niederlage – die im schlimmsten Fall das EM-Aus bedeuten würde – verschwendet im deutschen Team niemand.
Das Selbstvertrauen ist begründet, denn vieles läuft bei dieser EM besser als erwartet. Die bisher wichtigste Erkenntnis für Biegler: die Abwehr steht – und was die Defensive nicht bewältigen kann, wird Beute von Torhüterin Clara Woltering, die trotz der Niederlage zur besten Spielerin der Partie gewählt wurde. «Wir haben uns gut verkauft, aber am Ende gab die Erfahrung den Ausschlag zugunsten von Frankreich», sagte die Nationaltorhüterin von Borussia Dortmund. «Gegen Polen werden wir uns weiter steigern.»
Beim Rivalen steht in Leszek Krowicki ein Kenner des deutschen Frauenhandballs in der Verantwortung. Der frühere Interims-Bundestrainer arbeitet seit über 25 Jahren in der Bundesliga. Erst bei TuS Walle Bremen, dann beim Buxtehuder SV und seit 2005 beim VfL Oldenburg. Krowicki, der ein schlagkräftiges Team für Olympia 2020 aufbauen soll, kennt alle Stärken und Schwächen der deutschen Nationalspielerinnen.
Die Deutschen sind also vor dem Duell mit dem Gruppenletzten gewarnt. Zumal sie bei der EM 2010 in Dänemark und Norwegen das Hauptrunden-Ticket nach einem 23:33 gegen die seinerzeit ebenfalls punktlosen Ukrainerinnen noch aus der Hand gaben. Fünf Spielerinnen aus dem aktuellen Kader waren damals bei der «Schmach von Larvik» dabei – eine davon ist Spielführerin Anna Loerper. Aber sie denkt positiv: «So wie wir uns gegen Frankreich verkauft haben, blicke ich absolut optimistisch auf die Partie gegen Polen.»
(dpa)