Brackley – Drei Tage nach dem unerwarteten Rücktritt von Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg will Mercedes am Montag das Auswahlverfahren für seinen Nachfolger starten.
«Wir haben eine Vielzahl von Optionen, auch arrivierte Fahrer. Wir schauen uns jetzt die Verträge an», sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.
Warum trifft Rosbergs Entscheidung Mercedes so unvorbereitet?
Rosberg hatte erst im Juli einen neuen Vertrag bis Ende 2018 beim Silberpfeil-Team unterschrieben, für das er bereits seit 2010 fuhr. Von den zuletzt immer konkreteren Gedanken an einen Rücktritt hatte er die Teamspitze nicht informiert. «Er hätte uns Warnungen geben können, dass es passieren kann im Fall des WM-Titels. Dann hätten wir uns vorher darauf einstellen können», sagte Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda etwas verstimmt.
Wie schwer wird für Mercedes die Nachfolger-Suche?
Wenn ein Cockpit beim dominierenden Team der vergangenen drei Jahre frei wird, dürfte es eigentlich reihenweise Bewerbungen geben. Aber Anfang Dezember haben viele Fahrer bereits Verträge für die nächste Saison in der Tasche, gerade die Top-Piloten der Branche sind längst für die kommende Saison gebunden. Zudem steht 2017 eine Regelreform an. Das dürfte es Mercedes erschweren, den noch reichlich unerfahrenen Pascal Wehrlein oder Esteban Ocon aus dem eigenen Nachwuchs den Zuschlag zu erteilen. Andererseits muss das neue Auto noch auf den Rosberg-Ersatz zugeschnitten werden, daher drängt die Zeit. «Da haben wir mit unseren Buben einen Vorteil, weil beide 3D-gescannt sind und als Ersatzfahrer eben auch eingeplant waren in das Chassis-Design», sagte Teamchef Wolff.
Wer sind mögliche Kandidaten für das Rosberg-Cockpit?
Pascal Wehrlein wäre die einfachste Lösung. Nach einer ordentlichen Debütsaison bei Manor ist seine Zukunft noch ungeklärt. Ocon hingegen ist bereits an Force India gebunden. Auch der Finne Valtteri Bottas, zu dem Mercedes-Boss Wolff aus seiner Williams-Zeit ein enges Verhältnis pflegt, hat schon einen Vertrag für 2017. Spekuliert wird auch, dass Routinier Fernando Alonso nach zwei frustrierenden Jahren bei McLaren ein Angebot von Mercedes nicht ausschlagen würde. Ob der zweimalige Weltmeister aber die Freigabe von McLaren erhalten würde, ist fraglich. Sein bitterböser Zweikampf mit Lewis Hamilton 2007 könnte ebenfalls ein Gegenargument sein. Dies sei «absolut ein Territorium, das ich nicht betreten möchte», sagte Wolff.
Könnte Mercedes auch bei Titelrivalen wildern?
Motorsportchef Wolff hat ausgeschlossen, mit juristischen Mitteln andere Piloten aus laufenden Verträgen herauszuholen. Aus seiner Sicht sind weder Ferrari-Star Sebastian Vettel noch die Red-Bull-Piloten Max Verstappen oder Daniel Ricciardo verfügbar. Alle drei haben keine Ausstiegsklausel, Mercedes will keinen Streit mit der Konkurrenz.
Wer wird noch gehandelt?
Die Veteranen Jenson Button und Felipe Massa, die gerade erst zurückgetreten sind, würden mit der Aussicht auf Siege vielleicht ein schnelles Comeback prüfen. Sogar über Rallye-Champion Sebastién Ogier und Motorrad-Stars wie Valentino Rossi wird spekuliert. «Jemand, der Motorrad fahren kann auf dem Level, Rallye oder einen Sportwagen, kann auch einen Formel-1-Wagen konkurrenzfähig bewegen. Ich glaub‘ jetzt nicht, dass das super realistisch ist, aber total von der Hand weisen darf man’s auch nicht», sagte Wolff dazu.
Welche Rolle spielt Mercedes-Superstar Lewis Hamilton bei der Entscheidung?
Hamilton versichert, er werde keinen Einfluss auf die Entscheidung über seinen neuen Teamkollegen nehmen. «Ich erwarte nur, dass wir die gleichen Rechte haben. So lange wir fair behandelt, ist es egal, wer neben dir fährt», sagte der Brite. Eine kleine Warnung an alle Bewerber um das freie Cockpit konnte er sich nicht verkneifen: «Wenn Du die Hitze nicht verträgst, dann komm erst gar nicht.»
(dpa)